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332 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1904.)
logie" geht aber schon bei Heilungen in die Perne, die
Christus übt, zu Ende; vollends versagt sie natürlich bei
Jesu Wirkungen auf die äussere Natur (Wunder zu Kanaa,
Stillung des Sturms u. s. f.). Alle dergleichen Berichte
lassen sich weder moralisch begreifen, noch physisch erklären,
„wir befinden uns also in der grössten Verlegenheit". Ein
köstliches Zugeständniss aus einem solchen Munde!
Diese „Verlegenheit" wächst natürlich, wenn er zur
Auferstehung Christi und zu dessen Zustand nach derselben
zu sprechen kommt. • Es ist beinahe bewundernswert!^ wie
der geistvolle Mann sich da dreht und wendet, was für einen
Eiertanz er vor uns aufführt, nur um nicht zugeben zu
müssen: Christus sei wahrhaft auferstanden und in verklärter
Leiblichkeit (id est: im Astralkörper) den Seinen
erschienen. Und dabei wird man nicht recht klug daraus:
ist die Auferstehung doch ein Wunder oder nicht? Denn
bald haben die Berichterstatter schlecht beobachtet, bald
wird alles Allegorie und Symbol um. Das Endergebniss ist
in kurzen, dürren Worten: Jesus stirbt am Kreuze nicht
eigentlich; er kommt scheintodt in das Grab und wird
daraus durch einen phantastischen Zufall befreit.*) Durch
einen „wunderbaren Akt" folgt eine vollkommene Wiederherstellung
der Lebenskräfte und das „zweite Leben Jesu"
nach der „Auferstehung" (die also doch keine ist) ist
ein vollkommen natürliches. Allerdings ist nun Jesu* in
diesem seinem „zweiten Leben" von den Frauen, Jüngern,
Aposteln für einen verklärten Geist gehalten worden. Aber
daran ist bloss die „vorgefasste Meinung" dieser ungebildeten
Schwärmer schuld, die durchaus Uebernatürliches sehen
wollten, während Jesus selbst das Bestreben zeigt, „den
Jüngern sein Leben nach der Auferstehung als völlig menschlich
darzustellen". Man denke! Hartnäckig halten diese
Narren aber an dem Wahne fest, ein gespensterhaftes Wesen
*) Leute des Joseph von Arimathia befreien den Scheintodten aus
dem Grabe; ja, ein andermal nimmt sogar Schieiermacher (nach rationalistischem
Muster) an, dass die Wiederbelebung Jesu, ohne
Pflege und Hülfe, im Grabe geschieht und Leute, die garnicht
wissen, dass Jemand im Grabe liegt, den Stein weg wälzen. So
konnte Jesus aus dem Grabe herauskommen, ohne selbst zu wissen,
wer ihn befreit hatte. Denn hätte er es gewusst, so hätte er es
doch, ehrlicherweise, seinen Jüngern, die ihn für ein Gespenst
hielten, mittheilen müssen. Oder nicht? Aber so hatte ihn ein
„Zufall" befreit, den er selbst nicht kannte . . . Dav. Friedr, Strauss
hat diese kläglichen Spiegelfechtereien, allerdings von seinem Standpunkte
aus, auf den wir gleich näher eingehen werden, zernichtet
und deren Haltlosigkeit aufgezeigt. („Der Christus des Glaubens
und der Jesus der Geschichte", Band V der „Gesamm. Schriften",
Bonn 1877.)
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