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352 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1904.)
Was heilig dünket reinen Herzen,
Wie finden sie es abgeschmackt,
Und mit des Freigeist's feinen Scherzen
Wird jedes Hohe tot gezwackt!
Auf ihrer Weisheit gold'nen Stühlen
Unnahbar thront die edle Zunft;
Verstand und Witz beherrscht ihr Fühlen
Verbannt ist aus dem Kreis Vernunft.
Die Wahrheit mögen sie nicht leiden,
Nur was in bunten Füttern gleissv,
Sich aufdrängt, anpreist unbescheiden.
In ihren Schädeln Wahrheit heisst.
Ein Machtgebot ist ihre Meinung,
Weh dem, der vorlaut widerspricht!
Mit scharren Spottes Zornverneinung
Verderben sie den armen Wicht!
Wie könnt' vor so eries'nen Geist < rn
Der Herr der Welten denn besteh'n?
Sie wüssten ihn gewiss zu meistern,
Liess er bei ihnen je sich seh'n.
Sie thäten dar mit scharfen Schlüssen,
Dass längst er wegbewiesen sei
Von ihrer Logik Wassergüssen
Und von Kathedernarretei!
Was ist euch Gott, ihr Weisheitskrämev?
So viel, als ihr von ihm erfasst,
Denn wer im Geiste ist kein Nehmer,
Bei dem auch hält der Geist nicht East.
Doch weh' dir, weh' Gelehrtendünkel!
Weh' deinem schalen Aberwitz!
Dich und dein WeisheitsVohlgestrünkel
Trifft flammend Gottes Geistesblitz!
IL Abtheilung.
Theoretisches und Kritisches.
Die Logik der materialistischen Lehre und ihre
Werthschätzung des Lebens.
Vom f kaiserL russ. Geheiinrath u. Generalarzt a. D.
Dr. Nile, v. Seeland.
(Fortsetzung von Seite 294.)
Wohl mancher freigeistelnde Naturforscher, der während
einer Erholungsreise nach Italien einfach der Sehenswürdigkeit
halber eine jener berühmten, der Glaubensstärke
des Mittelalters entsprungenen Kirchen, wie den Dom zu
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