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362 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1904.)
gleiteten17), in Gedanken zusammenstellte und verglich18),
hat sich bei mir folgende Dissoziation-Gliederung-Analyse
ihrer Bedingungen vollzogen:19)
Die ErnährungsVerhältnisse eines zur Zeit thätigen eingeübten
Koordinationssystems können geändert, „gestört*
werden durch
a) eine durch eine Umgebungsänderung („äusserlich")
oder durch eine „Auslösung" („innerlich") bedingte Einschaltung
eines oder mehrerer neuer Glieder,
b) ein durch eine Umgebungsänderung („äusserlieh")
oder durch eine „Hemmung"20) („innerlich") bedingtes
Ausfallen eines oder mehrerer Glieder; dieses pflegt
sich meist mit einer „Auslösung** zu verbinden.21)
Jede Aenderung der ErnährungsVerhältnisse eines
Koordinationssystems, — also ihre Verschiedenheiten — sind
also bestimmt:
17) Durch Berücksichtigung der Koordinationssysteme und der
Geschichte der rBegriffe<4 unterscheidet sich meine Analyse von
derjenigen von Adenanus.
18) Vergl. 2£ Mach, „Die Vergleichung, als wissenschaftliches
Prinzip*. (Wärmelehre, S. 398.)
19) In Bezug auf wirkliche Gedankengliederung wäre es wohl
richtiger, die aktive Redensart „ich anaiyMrte ..." etc. zu vermeiden
und mit Lichtenberg zu sagen „es denkt in mir*; unsere Aktivität,
besteht dabei nicht in dem Analysiren selbst, sondern lediglich darine
dass wir vermittelst der Worte — Bezeichnungen — uns bestimmt-
Ged&nkenwerthe willkürlich vergegenwärtigen und zusammen,
stellen können; die Gliederung selbst aber muss sich stets „von selbst,
vollziehen. Vergl. darüber die Aussagen genialer Denker, denen
ihre grossen Gedanken stets von selbst gekommen sind.
*>) Nach Exner.
21) „Ueber die chemischen Veränderungen, die die Gefühlswerthe
mitbedingen, lässt sich zur Zeit wohl nur sagen, dass jede Verarmung
der Gehirnsubstanz an Sauerstoff (Hermann) als ein chemischer
Reiz wirkt, welcher in der Oblongata dyspnoetisches Athmen auslöst
" (Meynert, Psychiatrie p. 179). Genauer lassen sich die Volum- und
Pulsveränderungen beobachten, welche die Setzung verschiedener
Gefühswerthe begleiten. (Vergl. die Tafeln von Lehmann.) Im Breslauer
psychologischen Laboratorium untersuchte ich nach dieser
Richtung folgende Gefühlswerthe: die „Erwartung", das „Suchen",
das „Finden", die „Andersheit" und die „Dasselbigkeit": in einem
laut vorgelesenen Abschnitte wurde ein Wort „erwartet", dann wurde
es auf einem beschriebenen Blatte „gesucht" und „gefunden"; es
wurde die „Andersheit*( oder „Dasselbigkeit" mehrerer successive
vorgelegter ähnlicher Zeichnungen bestimmt. Die dabei erhaltenen
Kurven waren ziemlich charakteristisch. (Wegen Mangels an Uebung
waren meine Experimente recht unvollkommen). Ein vielleicht
nicht unerreichbares Ideal solcher Versuche wäre wohl die Auffindung
relativ konstanter graphischer Aequivalente für alle sprachlich
bezeichneten Gefühlswerthe; sie würden ein vollkommenes,
natürliches Material zu einer allgemeinen Begnffsschrift liefern.
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