http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1904/0384
Klinckowstroem: Bericht über einen Geist etc. 375
sichten ihrer Gegner zu vertheidigen. Bossuet verficht die
Grundsätze FSnelon's, während zwanzig Jesuiten sich in
Lobeserhebungen über Quesnel ergehen. Luther hält eine
zündende Rede über Heiligenbilder und Reliquien, und
Bellarmin lässt sich über die Vorzüge der Reformation aus.
Kannst Du glauben, lieber Leser, dass meine Hölle
schon in diesem Leben begonnen hat? Ich bin einer
dieser Rechtsanwälte und sehe mich genöthigt, mich der
Herde der Geistergläubigen anzuschliessen. Deren Beispiel
folgend, gebe ich keine Erklärung und lasse mich nicht auf
Streitigkeiten ein; aber was mich zu einer Hauptstütze
dieser so nützlichen und genau ergründeten Wissenschaft
macht, die so viele grosse Männer zu ihren Anhängern
zählt*), ist, dass ich nicht Erlebnisse anderer wiedergebe.
Ich habe mit eigenen, jawohl, mit eigenen Augen
einen Geist gesehen; und was für einen! Auch wenn er
nicht die gleichen Gesichtszüge gehabt hätte, wie auf Erden,
so hätten schon seine Worte gentigt, um jeden Zweifel aus-
zuschliessen. Mit einem Wort: Es war der berühmte Jean
Jacques Rousseau, der mir erschien.
I ch hatte ziemlich lange in seinen nachgelassenen Werken
gelesen und überliess mich meinen durch die Lektüre angeregten
Gedanken (der erste Nutzen den man davon hat).
Da unterbrach er meine Träumereien. „Fürchte Dich nicht H
sagte er; „ich komme nicht, Dich zu schrecken, sondern zu
belehren." Das erste Wort, welches ich hervorbringen konnte,
war: „Die Unsterblichkeit der Seele ist also doch kein
Wahn." — „Nein, nein!" entgegnete er, „hüte Dich, daran
zu zweifeln. Aber in dem Augenblick, wenn wir die Welt
verlassen, kommen uns all die UnVollkommenheiten und
Fehler ihrer Bewohner zum Bewusstsein. Diese Erkenntniss
ist so überwältigend, dass nur wenige unter den rechtschaffenen
Abgeschiedenen den Muth finden, wieder dahin
zurückzukehren. Allein manche thun es. Aber zumeist
sind es unbedeutende Narren, die unter Euch Menschen
müssig herumflanieren. Sie belustigen sich an den lächerlichen
Szenen, welche ihnen Eure Furcht, Eure Leichtgläubigkeit
oder Eure närrischen Hoffnungen darbieten."
„Bewirken nicht die erhabenen Erfahrungen, die Ihr
macht, wenn der Schleier der Ewigkeit vor Euren Blicken
sich lichtet, eine gewaltige Veränderung jeglichen Wesens?"
antwortete ich ihm.
„Nein", versetzte er, „die Thorheit lässt sich nicht ausrotten
. Das ist auch leicht einzusehen. Um zu lernen
*) Ironisch gemeint! (Vgl. gegen Schluss, vorletzt. Abschn.)
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1904/0384