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396 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1904.)
Büchner und K. Vogt, diese „ vulgarisirenden Hausirer,
die in Deutschland in Materialismus machten", wie Engels
mit einem Treffworte sagte. Ersterer ist der weitaus bedeutendste
, der zugleich mit dem Hegelianer Kuno Fischer
vom Heidelberger Lehrstuhl verdrängt wurde; sein 1852
erschienener „Kreislauf des Lebens" wendet sich direkt
gegen Ziebigk erhabene Auffassung der Natur; nur der
Stoff ist unsterblich, die Kraft eine Eigenschaft des Stoffes,
der Gedanke eine Bewegung des Stoffes und ohne Phosphor
kein Gedanke. Uebrigens hat Moleschott mit dem Nachweise
, dass alles Leben im Kr eis laufe sich bewegt, einen
Gedanken aufgenommen und in biologische Formeln geprägt
, welcher von Mystikern, wie Helmont, Paracclsus, Garn-
panellüy Bruno und in neuerer Zeit von Schelling, Baader,
Sf. Martin konzipirt worden war. Der tiefe Sinn der Kreisln
ufbetrachtung ist der: den unleugbaren Rhythmus alle»
kosmischen und biologischen Geschehens auf bestimmte Bewegungsformen
zurückzuführen, welche allerdings nicht
immer kreisförmig, sondern auch elliptisch sein können. —
1856 erschien Louis Büchner1* ,,Kraft und Stoff". 1857
„Natur und Geist'1: philosophische Naivität, geistige Kurzsichtigkeit
und Genügsamkeit, gepaart mit paradoxem Fanatismus
charakterisiren, neben gründlichen naturwissenschaft»
liehen Kenntnissen, Büchners so populär gewordene Schriften
. Von dem „ dickenpolitisch radikal gesinnten Kart
Vogt endlich, der in Geologie und Petrefaktenkunde ganz
Hervorragendes leistete, rührt das bekannte Paradoxon
her: „Der Gedanke ist ein Produkt des Gehirns, wie die
Galle ein Produkt der Leber und der Urin ein Produkt
der Nieren ist."
Durch den grossen Portschritt der Naturwissenschaften,
durch den mächtigen Aufschwung der materiellen Interessen
der Industrie, des Handels, kam es „zur Abkehr vom
Geiste selbst" und zur „Ableitung alles Organischen und
Geistigen aus der Materie'1: der materialistischen
Metaphysik der fünfziger Jahre, welche durch /. Hob.
Mayer* s Gesetz von der Erhaltung der Kraft und Darwin'*
Selektionstheorie ihre Stützen erhielt und ihren Höhepunkt
mit Dav. Fr. Strauss' materialistischem Glaubens*
bekenntniss in „Der alte und der neue Glaubeu 1872
erreichte. Von da ab flachte der Materialismus mehr
und mehr ab.
Hauptsächlich also von L. Feuerbach hatte der Materialismus
seine philosophische Stütze erhalten; nun schwoll
er durch den Aufschwung der Naturwissenschaften ins
Riesenhafte an. Aber mit der Läugnung des Uebersinn-
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