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v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre etc. 417
alles Lebendigen wirklich zu Herzen nimmt, d. h. stärker
als sein persönliches Wehe fühlt, Einer, den die einmal
gesehenen Bilder des Jammers in der Menschen- und
Thier weit stets verfolgen, solch nagenden Gefühlen durch
jene Scheinmittel, die ihm die Verneinungsphilosophie
bietet oder in Aussicht stellt, zu entrinnen hoffen? Entweder
er bekennt sich darauf zum definitiven Pessimismus
oder er nimmt die Dinge nicht im wirklichen
Ernste, d. h. er lässt sich unvermerkt den grausigen Hintergrund
des Daseins durch persönliche, mehr oder weniger
günstige Augenblickseindrücke bemänteln und vertuschen.
Mit anderen Worten: ein Daseins- oder Weltoptimismus,
der sich mit einer materialistischen Weltanschauung zu
versöhnen vermag (d. h. ohne von ihr untergraben zu werden
) bedeutet eine logisch - moralische Denkart, welche in
die Kategorie der Unmenschlichkeiten gehören würde, wenn
sie nicht das Produkt von Inkonsequenz und Illusionen wäre.
Es ist hier wohl am Platze, einmal einen eingehenderen
psychologischen Blick in die Seelenstimmung derjenigen
heute ziemlich zahlreichen Verneinungsjünger zu werfen,
welche im Ernste noch an einen moralischen Werth und
eine Zukunft ihrer nach dem negativistischen Programm
entworfenen Welt glauben. Da es doch unter ihnen so
manche hochachtbare und, prinzipiell wohlwollende Menschen
giebt, so verdient die Art des Zustandekommens ihrer Anschauungen
eine nähere Betrachtung. Dass sie sich öfters
in logische und wissenschaftliche Widersprüche verwickein,
haben wir bereits gesehen und werden es noch weiter sehen;
von dieser Seite her sind ihre Ansichten, wie jeder andere
Irrthum überhaupt, begreiflich. Schwerer zu verstehen ist
aber die moralische Blindheit, die sie befähigt, ein
Dasein für werthvoll zu erachten, dessen Werthlosigkeit
doch, sollte man glauben, jedem fühlenden und auf Gerechtigkeit
etwas haltenden Menschen in die Augen springen
müsste. Mit anderen Worten, es frägt sich, auf welche
Weise die Moral der gewissenhaften Verneiner in solche
Nebel hinein gerathen kann.
(Fortsetzung folgt.)
Drei Beiträge zu einer allgem. Theorie der „Begriffe."
Von E. Th. Erdmann.
(Lektor an der Kaiserl. Universität zu Warschau.)
(Schluss yon Seite 367.)
Ein anderer Fall: ein individuelles Koordinationssystem
(eines M.) wird durch eine Umgebungsänderung, z. B. „die
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