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Erdmaim: Drei Beiträge zu einer allgem. Theorie der „Begriffe". 427
sie das Ganze absolut nicht „be-griffen" hatte; nur die
einzelnen Worte (vergl. II-2) kamen ihr „bekannt" vor; dies
schien sie aber völlig zu „befriedigen".
Solche vom Gesichtspunkte des „kleinsten Kraftmaasses",
oder der „Selbsterhaltung" oder vulgärer — der „Faulheit"
sehr „zweckmässige" „Befriedigung" ist für die Wissenschaft
nicht immer nützlich; unter Anderem ermöglicht sie Vielen,
in wenigen Stunden ein Buch zu lesen und mit pflicht-
gemässer Ueberlegenheit zu „ beurtheilen", welches oft das
Ergebniss einer vieljährigen schweren Gedankenarbeit seines
Verfassers bildet.
Warschau, im Juli 1903.
Ueber die Seele als Kraftprinzip
hat J. Ev. Rivola (Prof. am GrossherzogL Gymnasium zu
Rastatt) im Iii. Theil seiner (daselbst schon 1878 als Schulprogramm
erschienenen) erkenntnisstheoretisch - philosophi*
sehen Abhandlung „üeber das Verhältniss der Vorstellungen
und Begriffe zum Seina die Ergebnisse seiner eingehenden
Betrachtung der hauptsächlichsten philosophischen Standpunkte
zu so lichtvollen Schlusssätzen zusammengefasst,
dass wir denselben in unserer vorzugsweise der Erforschung
des Unsterblichkeitsproblems gewidmeten Zeitschrift im An-
schluss an die voranstehende begriffsphilosophische Untersuchung
durch Wiederabdruck der Vergessenheit entreissen
möchten.
Vorangeschickt seien einige kritische Bemerkungen zur
sogen. Empfindungsteleologie. Es haben mehrere
neuere Forscher zur Erklärung bestandfähiger Gebilde der
Natur als Ursache die Tendenz der Kräfte nach Stabilität
oder Gleichgewicht aufgestellt und diese Tendenz
wieder auf die Empfindung des Wohlbefindens zurückgeführt
, welche aus einer auf dem Gleichgewichtszustande
beruhenden Existenzform für die Kräfte resultire. Damit
ist die psychische Erscheinung des Empfindens schon in
die Sphäre des Mechanismus der Kräfte verlegt worden.
Gegen eine solche Ausdehnung des Psychischen wurde von
bedeutender Seite Einsprache erhoben, Virchow hat auf
der Naturforscherversammlung in München (1877) Häckel
und auch Nägeli gegenüber mit aller Bestimmtheit sich dagegen
ausgesprochen, geistige Vorgänge dahin zu verlegen,
wo uns keine entgegentreten. „Wir werden nicht weiterkommen
,* sagte er, „wenn wir geistige Erscheinungen da
studiren wollen, wo sie sich noch nie gezeigt haben. Er
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