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428 PsyeMsohe Studien. XXXI. Jahrg. 7. Heft (Juli 1904.)
lege Werth darauf, nicht den Uebergang des Unorganischen
in's Organische zu studiren, sondern den Gegensatz zwischen
beiden." Auch M. Carriere wendet sich in seiner Rezension
der Huber'ncheii Schrift*) gegen die Vergeistigung der
Atome, wie es von Zöllner, Nägeli, Lotze. Fechner u. A., denen
auch Huber folgt, gescheheu ist. „Wollen wir auf dem
Boden der Erfahrung bleiben,* äussert er, »so haben wir
keine solche von einem Empfinden und Wollen der Atome,
welche die anorganische Natur bilden und dem Mechanismus
derselben anheimgegeben sind; vielmehr gehen Empfinden
und Wollen erfahrungsgemäss im Organismus auf."
Rivola kann solchen Entgegnungen nur beistimmen, denn
sie harmoniren durchaus mit seinen eigenen Anschauungen
hinsichtlich der Entwickelung der Natur. Aber selbst,
wenn die Atomkräfte bereits Empfindung und Willen be-
sässen, so würde dieses nicht hinreichen, um die fortschreitende
Entwickelung der Existenzformen zu erklären
, durch welche der Zweck dieser Entwickelung für
die Kräfte erzielt werden soll, nämlich der Grenuss des
Wohlbefindens im Zustande einer wohlgeordneten, möglichst
harmonischen Existenzform, wofern nicht den Kräften
der Weg bezeichnet wäre, auf dem sie sicher zu den
Formenbildungen gelangten, welche ihnen die Erreichung
des Zieles ihrer Thätigkeit verbürgten, das will sagen,
wenn den Atomkräften nicht allein die Formgesetze, wie
Virchow will, sondern auch die Formen selbst, ohne welche
jene, wie H. Czolbe richtig bemerkt, undenkbar sind, ursprünglich
mitgetheilt wurden, oder überhaupt eigentümlich
sind. Das Kausalitätsgesetz lässt eben bei dem that-
sächlichen Vorhandensein der Formen der Dinge nicht über
die Nothwendigkeit eines formalen Prinzipes hinwegkommen;
denn wie sollen wir uns die formbildende Thätigkeit der
Naturkraft anders möglich deiJken als so, dass ihr die
Formen der Möglichkeit nach (dvvctfiei) innewohnen, und
dass dieselben, wann und wie die Bedingungen gegeben
sind, aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit treten in
Folge des natürlichen Entwickelungsprozesses ? So lehrt
von Aristoteles an bis auf unsere Tage jedes teleologische
Entwickelungssystem, und teleologisch muss jedem logischen
Denker ein Entwickelungsprozess sein, weil, was sich entwickelt
, der Möglichkeit nach schon vorhanden gewesen
sein muss. Kurz, die Kräfte sind als t y p i s c h e
*) Joh. Huber „Die Forschung nach der Materie", München
1877, besprochen von Mf Carriere in der Beilage der „A. Allgem.
Zeit ", Nr. 207, 1877.
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