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432 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 7. Heft, (Juli 1904.)
ander stehen können» Als Essenzen des relativen Seins
bedingen sie sich freilich dem Begriffe und somit auch,
falls die Begriffe in Wirklichkeit gesetzt werden, dem Sein
nach; denn der Begriff der Aktivität ist gesetzt mit dem
der Passivität und umgekehrt nach dem ÄPrinzipium des
Setzens und Gegenselzcns,M welches sagt: Jedes Setzen
fordert ein Gegensetzen. Es ist dieses das durchgreifendste
Gesetz des relativen Seins, der Grund der Differenz, der
Vielheit, der Veränderung im Sein und Geschehen. Und
wie die beiden Prinzipien, Stoff und Kraft, Geist und
Materie sich so in ihrem Sein bedingen, so sind beide
nothwendig mit einander verbunden bezüglich der Betätigung
; die zweckthätige Kraft oder Idee bedarf zu
ihrer Bethätigung oder Verwirklichung des vermittelnden
Prinzips der Materie, ohne welches Medium die Ideen nicht
in Aktualität treten könnten. Wenn also auch das ideale und
reale Prinzip (Kraft und Stoff, Geist und Materie) sich
gegenseitig bedingen, so ist doch keines von beiden die
„causa efficiens* des anderen, keines die Wirkung des
anderen, woraus folgt, dass beide gleichmässig ewige
Existenz, haben, weil beide im göttlichen Denken begründet
sind, das Denken Gottes aber so ewig ist, als er selbst.
Und da ferner Aktivität, Bewegung, Leben allein in dem
Prinzipe der Kraft liegt und das Wesen derselben
ausmacht, ohne welches die Kraft nicht gedacht werden
kann, so ist wohl mit Nothwendigkeit daraus der Schiuss
zu ziehen, dass das Lebensprinzip, die Seele, mit der Auflösung
einer Lebensform nicht aufhört, thätig zu sein,
denn das Aufhören der Thätigkeit widerspräche
der Natur seiner Wesenheit. Es
wird sich also das Seelenprinzip sein Wesen in einer neuen
Lebensform verwirklichen, in einem neuen Organe seine
Kräfte bethätigen, und zwar in einer den Weltgesetzen und
seinem eigenen Wesen entsprechenden JPorm, da ja die
Seele als Lebensprinzip der Welt stets innerhalb
dieser Seinssphäre eingeschlossen bleibt, niemals in das
Gebiet des Absoluten sich emporschwingen, in Gott sich
auflösen und so des absoluten Wesens der Gottheit theil-
haftig werden kann. Insofern nun weiter die allgemeine
Seele in ihrem Spezifikations - und Individuationsprozesse
auf unserem Weltkörper im Menschen und auf anderen
Weltkörpern in den uns gleichenden Wesen zu einer I n -
dividuationsform gelangt, mit welcher das Selbst-
bewusstsein oder Persönlichkeit verbunden erscheint, und
es Vernunft- und erfahrungswidrig wäre, anzunehmen, dass
die Resultate des Entwickelungsprozesses der Seele
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