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434 Psychische Studien« XXXI. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1904.)
einem so hervorragenden psychischen Phänomen bekannt
gemacht zu haben, dadurch selbstredend in keiner Weise
geschmälert werden kann, vielleicht zu einer auf diese Einwürfe
eines Kenners noch näher eingehenden Stellungnahme
veranlassen werden. Herr Sage schreibt uns in einem vom
30./V. datirten offenen Brief u. a.: 9 Heute möchte ich
Ihnen ein Wort über die Dame sagen, die Sie in Deutschland
die „Schlaftänzerin" nennen oder vielmehr über eine
von denen, die ihr vorangegangen sind, die nLtna* des
Herrn de Rochas. Diese ist nämlich mindestens ebenso
interessant, obschon sie nicht zu der gleichen Popularität
gelangt ist. Ich habe diese beiden Frauen in zahlreichen
Privatsitzungen zu einer Zeit kennen gelernt, wo man noch
nicht darauf gefasst war, dass „Magdeleine"*) später so viel
von sich reden machen würde: das war der richtige Augenblick
, wo man wahrhaft ernste Beobachtungen machen
konnte, ohne dabei von der Neugierde der Gaffer oder
von dem Hochmuth gestört zu werden, mit dem, wie man
sich sagt, all dieser Lärm das Gehirn der Letzteren nun
erfüllt haben soll.
Herr Magnin berichtete mir die folgende Anekdote, die
ich als das gebe, was sie als solche werth ist. Bei einer
Vereinigung berühmter Aerzte in München kam man auf
alle Diejenigen zu sprechen, die schon früher auf das
Phänomen hingewiesen hatten, und dabei vergass man
natürlich nur den einzigen Mann, der eine wissenschaftlich
vertiefte Studie darüber gemacht hat: de Bockas. Herr
Magnin machte darauf aufmerksam. Einer der Anwesenden
fragte: „Wer ist de Rochasworauf Herr von Schrenck-
Notzing antwortete: „Ach, er ist nur ein Dilettant!" Ich
begreife die Frage, aber ich begreife nicht die Antwort.
Ein deutscher Gelehrter kann möglicher Weise von Herrn
de Rochas nichts wissen, — wir bilden uns in Frankreich
auch nicht ein, alle verdienstvollen Männer Deutschlands
zu kennen. Aber Herr von Schrenck - Notzing kennt doch
Herrn de Rochas sehr wohl: dieser stand immer in intimen
Beziehungen mit dem leider zu früh verstorbenen du Prel
und, wenn ich nicht irre, war auch Herr von Schrenck-
Notzing mit du Prel ehemals persönlich genau bekannt.
Ueberdies, als de Rochas seine bemerkenswerte Studie
über Mlle. Lina veröffentlichte, schickte er auch Herrn
von Schrenck - Notzing ein Exemplar zu, worauf ihm dieser
mit einem Brief antwortete, der nicht gerade als ein tadel-
*) So schreibt die Dame selbst sonderbarer Weise ihren Vor
namen. — Red.
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