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Lowbroso: MisoneYsmus.
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Misone'fsmus.
Von Prof. Dr. Cesare Lombroso
Direktor des Archivs für Psychiatrie, Strafwissenschaft und
Kriminal-Anthropologie in Turin.*)
Unter Misone'ismus (von griech. neos = neu und
misein — hassen) verstehe ich jene instinktive Tendenz
aller Wirbelthiere und selbstredend auch der Menschen,
besonders in ihrem Urzustände, sich allen neuen Sinneseindrücken
feindlich gegenüberzustellen und diese zu vermeiden
.
Ein besonders glückliches Beispiel giebt uns der Hund
des Bret Harte (also sozusagen ein historisches Thier),
der sich über alle Neuerungen der Kultur furchtbar ärgerte,
über das Gas, den Telegraphen, die Eisenbahn, und jedesmal
wüthend bellte, wenn eine Telegraphenstange aufgestellt
wurde oder ein Eisenbahnzug bei seinem kleinen Städtchen
vorbeifuhr. Wir wissen, dass die Hunde immer bellen, auch
ohne das Bedürfnis oder die Pflicht des Wächters, wenn
ein Wagen durch die stillen Gassen des Städtchens fahrt.
Es ist auch bekannt, dass Pferde sich bäumen, wenn der
Reiter sein Gewand wechselt.
Ich möchte hier einige einschlägige Fakten anführen:
Ein Affe, den ein Franzose gezähmt hatte, und der
Menschenkleider trug, brach aus und flüchtete in seine
Wälder zurück; aber da wurde er mit Entsetzen empfangen
und von seinen alten Kameraden geflohen, und lange währte
in diesen Wäldern der Lärm und das Geschrei der entsetzten
Affen. — Varigny erzählt, dass eine Katze, die
sah, wie ein Saal in einen Ballsaal umgewandelt wurde,
beim Fortschaffen der Teppiche und Möbel in Verzweiflung
gerieth und jedem einzelnen der Familienangehörigen folgte,
wie um eine Erklärung zu verlangen und zu bitten, dass
man mit den Veränderungen aufhören möge.
Ein Maler, dem eine weisse Henne den Gemüsegarten
zerstört hatte, bemalte sie zur Strafe mit grüner
Farbe. Kaum war sie zu den anderen Hennen zurückgekehrt
, da brach unter diesen ein lebhafter Schrecken aus,
und die grüne Henne wurde von allen mit Schnabel-
Fall ^Magdeleine* alle bisherigen somnambulen Kunstleistungen weit
hinter sich lasse, da sie in Bezug auf künstlerische Gestaltungsfähigkeit
sämmtliche in der Litteratur bekannt gewordene Versuchsobjekte
dieser Art überrage. Wir möchten dieses Buch dringend
dem eigenen Stadium unserer Leser empfehlen, da unser beschränkter
Raum weitere Erörterungen dieses interessanten FalJs in den „Psych.
Stud." vorerst verbietet. — Red.
*) Nach dem „Neuen Wiener Journal* vom 25. IX. 03.
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