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Dankmar: Geistige und soziale Strömungen etc. 459
Er anerkennt Warnungen, Vorzeichen, den animalischen
Magnetismus,*) das zweite Gesicht, das Sich-bewegen lebloser
Gegenstände,**) sympathetische Kuren, die Hexerei,
das Hellsehen, Wahrträume, die „actio in distansa durch
die magische Wirkung des Willens und ~ last not least
— Geistererscheinungen und Spuk. Er nennt — nach Baco
von Verulam — die Magie „praktische Metaphysik", gewissem
^ assen eine „Experimentalmetaphysik", nennt den
Willen den „Geist" oder „Genius", der in uns und zugleich
ausser uns sei und meint („Parerga u. Paralipo-
mena" II, § 117), dass die Individualität nicht durch und
durch „blosse Erscheinung" sei, sondern dass sie „im Dinge
an sich, im Willen des Einzelnen wurzelt: denn sein Charakter
selbst ist individuell. Wie tief nun aber hier ihre
Wurzeln gehen, gehört zu den Fragen, deren Beantwortung
ich nicht unternehme." Allerdings nimmt Schopenhauer zur
Erklärung der Magie kein raumfreies Wirken des transzendentalen
Subjekts an, sondern eine „gleichsam unterirdische
Verbindung", „ein Wirken auf die Dinge von innen, statt
des gewöhnlichen von aussen, ein Wirken der Erscheinung
auf die Erscheinung, vermöge des Wesens an sich, welches
in allen Erscheinungen eines und dasselbe ist.a Er setzt
eine Aufhebung der individuellen Isolation des Willens:
die Scheidewände zwischen Mikrokosmus und Makrokosmus
fallen in gewissen Augenblicken. Und er spricht ein Prophetenwort
, wenn er meint, dass wenn die rationale Meta-
*) „Par. und Paral." I, 243 ff. spricht Schopenhauer vom „Skeptizismus
der Ignoranz" und sein berühmt gewordenes Wort aus:
„Wer heutzutage die Thatsachen des animalischen Magnetismus und
seines Hellsehens bezweifelt, ist nicht ungläubig, sondern unwissend
zu nennen." So geschrieben anno 1851!
**) Gemeint ist damit die magische Selbstbewegung lebloser
Körper resp. ihre Bewegung durch (Tie Allgewalt des Willens. Auch
bei Verstorbenen nimmt unser Philosoph die Möglichkeit einer
actio in distans an und nennt diese eine magische, durch die „natura
naturans" bewirkte. „So könnten wir, wenn die Ehre achtungs-
werther Berichterstatter dadurch allein zu retten wäre, allenfalls
noch den verfänglichen Schritt wagen, diese Einwirkung nicht auf
die menschlichen Organismen zu beschränken, sondern sie auch auf leblose
, also unorganische Körper einräumen." Hier grenze die Sache
allerdings ans Absurde. Als Analogon aus dem Gebiete des animalischen
Magnetismus führt Schopenhauer die Ablenkung der Magnetnadel
durch den blossen Willen der Somnambulen Auguste K(achler)
an. — Man vergleiche dazu auch Schopenhauer^ „Ueber den Willen
in der Natur" (Animalischer Magnetismus und Magie), wo ab p. 103
auch von dieser „höchsten Klimax" des Willens die Bede ist. (Diese
Schrift ist 1886 erschienen. — Ueber Schopenhauer^ Verhalten zur
Tischrück- und Klopfepidemie der fünfziger Jahre werden wir in
dem — nur in der Buchform erscheinenden — letzten Theii F, II.
dieser Arbeit Erwähnenswerthes bringen.)
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