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v, Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre ete. 491
biographische Andeutungen hierüber vorliegen. Im Alterthum
waren Demokrit (wder Lachende") und Epikur so geartet
. Sobbesy der sich viel Leibesbewegung machte und
91 Jahre alt wurde, scheint auch stets heiterer Stimmung
gewesen zu sein. Von Holbach, dem Verfasser der 1770
unter dem Pseudonym des verstorbenen Sekretärs der
Akademie Mirabäud angeblich in London (thatsächlich in
Amsterdam) in zwei Bänden erschienenen repräsentativen
Hauptschrift des modernen Materialismus, des „Systeme de
la Naturea, berichtet sein Sekretär Meister etwas Aehn-
liches. Dass in unserer Zeit Karl Vogt von urfröhlicher
Gemüthsart war, ist bekannt. Saeckefs jovialer Gesichtsausdruck
und seine lichte, sympathisch berührende Schreibart
lassen auf dasselbe schliessen. L. Büchner war ruhigen
Temperaments, zum Spassen geneigt, und wenn zeitweise
dunkle Stimmungen über ihn kamen, so war es, wie gesagt,
die vortreffliche Gemüthsart seiner Frau, die ihm darüber
hinweghalf, ßühring steht, trotz seiner sich aus besonders
widrigen Lebensumständen, amtlicher Zurücksetzung u. dgl.
erklärlichen Bissigkeit, sicherlich ein kräftiges Temperament
(der Festigkeit seines Charakters entsprechend) zu Gebote.
Als Knabe war er gesund und lebhaft; er sagt selbst, seine
. Gemüthsart wäre, wenn auch nicht auf besondere Heiterkeit,
so doch aber auf Zufriedenheit angelegt. Jegliche Blasirt-
heit ist ihm ein Gräuel, er schätzt das Leben trotz der
vielfachen Prüfungen, die ihn trafen; kurz seine Natur
ist eine im Grunde optimistische. Dass er übrigens nur
mit einem Fuss den Boden des Materialismus berührt, bezw.
vor dessen letzten Konsequenzen zurückscheute, wurde schon
wiederholt erwähnt.
Es ist auch theoretisch einleuchtend, dass derjenige
Geist, den ein glückliches Temperament und andere Hilfsmomente
bis an's Ende in einem Zustande behaglicher Erregung
erhalten, es am Leichtesten fertig bringt, die Welt
auch auf Grund materialistischer Anschauungen optimistisch
zu betrachten.
Nun gehört zwar eine solche organische Disposition
an sich zweifellos zu den menschlichen Vorzügen; doch
folgt daraus keineswegs, dass sie nicht unter gewissen Umständen
, d. h. wenn andere Gebiete des Ichs nicht entsprechend
stark entwickelt sind, dem Erkennen der
Wahrheit schaden könnte. Schon im Beurtheilen und
Führen des persönlichen Lebens kann jene angeborene
Musik, von deren Akkorden die Seele des Hellmüthigen
erklingt, deren Inhaber mitunter irreführen. Wie ein durch
Wein- oder Opiumgenuss „Seliggewordenera den Ernst der
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