Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
31. Jahrgang.1904
Seite: 509
(PDF, 224 MB)
Bibliographische Information
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Die Selbstbiographie einer taubstummen Blinden. 509

wort Plötzlich dämmert auch die Wahrheit auf: „Die
♦schöne Wahrheit brach auf meinen Geist herein, — ich fühlte,
•dass sich unsichtbare Linien zwischen meinem Geist
und dem Geist anderer erstreckten,"

Drei Jahre später lernt sie sprechen, nur durch das
Gefühl der Stellung von Zunge und Lippen, wenn ihre
Lehrerin den Ton erzeugte. Mit fast unglaublicher Arbeit
wurden Fehler verbessert, Laute wiederholt, bis „der glücklichste
der glücklichen Augenblicke kam. Es war, als wenn
sich in mir Jesaj<£% Prophezeiung erfüllt hätte: Berge und
Hügel sollen vor euch her frohlocken, und alle Bäume auf
dem Felde mit den Händen klatschen."

Als Kind schrieb Helen eine Geschichte, die als ihr
eigenes Werk veröffentlicht wurde. Schliesslich fand man,
dass sie einer schon von Miss Canbj veröffentlichten Geschichte
ähnlich war. Sie wurde des vorsätzlichen Betruges
angeklagt. Allmählich jedoch fand man die Wahrheit.
Die Geschichte war ihr einst vorgelesen
und völlig vergessen worden.*) „Aber lange
nachher kam sie mir so natürlich zurück, dass ich niemals
ahnte, sie wäre das Kind eines anderen Geistes," Dieser
Zwischenfall warf einen Schatten auf das Leben dieses
sensitiven Kindes. „Ich bin seitdem immer von der Furcht
gequält worden, dass das, was ich schreibe, nicht mein
Eigenthum wäre."

Das schliessliche Ergebniss der Erziehung ist ein glänzender
Erfolg: Helen Feiler führt ein vollentwickeltes
geistiges Leben, voller Glück und mit einem wirklichen Sinn
für Humor. Von Philips hat sie ihre einfache Religion
gelernt, die Vaterschaft Gottes und die Brüderschaft der
Menschen. Sie erkennt die Leute am Händedruck; von
dem Fühlen der Hand allein begreift sie etwas von dem
harten Leben der Armen und bittet für ihr Wohlergehen.
Sie hat eine wirkliche Freude an Musik, obgleich sie völlig
taub ist, „denn sie erkennt den Klang fühlbar, wenn die
Luftwellen an sie anschlagen." Keiner weiss jedoch, was
ihre Empfindungen sind. Ihr Geruchs- und Tastsinn sind
wunderbar genau. Ein Beweis, dass sie einen „sechsten
Sinn" besitzt, liegt nicht vor; aber die Wunder, die sie mit
den bei anderen Menschen abgestumpften Sinnen vollbringen
kann, deuten auf die Möglichkeiten einer zukünftigen
Entwicklung der Rasse. Sie hat
eine starke Liebe für Naturschönheiten, Blumen und Sonnen-

*) Also ein eklatantes Beispiel von Kryptomnesie, bezw
latentem Gedächtniss des TJnterbewusstseins. — Eed.


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