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Hinkoviö: Eine mediale Familie.
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gefügt war; der Stift schrieb Antworten auf an ihn gestellte
Fragen. Selbstverständlich fanden die Mädchen dies ausserordentlich
unterhaltend und machten zu Hause selber Versuche
, welche alle vieren der Reihe nach nach kurzer Zeit
gelangen.
Einem der Mädchen schrieb der Bleistift: „Wirf das
Lineal weg und nimm den Bleistift in die Hand.'* Seitdem
schreiben alle vier direkt mit dem Bleistift, ohne Zuhilfenahme
des Lineals. Sie behaupten mechanisch zu
schreiben, d. h. ohne den Inhalt des von ihnen Geschriebenen
vorher zu kennen; manchmal schreiben sie ihnen
vollständig unbekannte, öfters sogar Dinge, die ihrem Wissen
und Wollen widersprechen. Die Schwester der Gräfin, in
italienischer Kultur aufgezogen, versteht zwar Kroatisch»
doch ist sie dieser Sprache in der Schrift nicht kundig.
Desto grösser ist ihr Erstaunen, wenn ihr Bleistift, mechanisch
über die Papierfläche eilend, kroatische Ausdrücke
niederschreibt, die ihr nicht geläufig, ja manchmal sogar
völlig unverständlich sind.
Auf die Frage: „AVer schreibt?" wurde ihnen mitge-
theilt, dass sich die beiderseitigen verstorbenen Mütter der
Eltern, ferner noch zwei Intelligenzen manifestiren, die vorläufig
die Namen nicht nennen wollen, die sie hienieden getragen
. Sie führten sich unter Pseudonymen ein: die eine
nennt sich Roko (Rochus), die andere Aäolfo San? Agatha*
Roko manifestirt sich gewöhnlich durch die jüngste, Adolfo
durch Zoe, die mittlere Schwester.
Alle vier Mädchen entwickelten sich medial derart, dass
sie gewöhnlich gar nicht eines Bleistiftes benöthigen: auf
dem Tische, auf ihrem Kleide, wo immer, zeichnet ihr
rechter Zeigefinger Buchstaben, die sie nach der Bewegung
des Fingers „lesen". Nicht nur erhalten sie auf diese
Weise Antworten auf gestellte Fragen, sondern auch spontane
Mittheilungen und unerwartete Rathschläge. Die
jüngste erzählte mir, dass sie stets, wenn sie ohne Gebet
zu Bette gegangen, des Nachts aufwache, wobei sie der
Finger mechanisch ermahne, das Versäumte nachzuholen»
Alle vier „Geister" sind — so behaupten sie es wenigstens
— beständig um die Familie. „Meine Mutter und
meine Schwiegermutter, erzählte mir die Gräfin, boten und
bieten mir unablässig so viele Beweise ihrer Identität, dass
ich nicht im Geringsten zweifle, mit diesen beiden mir so
theuren Verstorbenen in Verbindung zu stehen. Wie Vieles
sagten sie mir, was ich vordem nicht wusste und erst durch
sie erfuhrI Und wie gut sie sind, diese Geister! Stellen
Sie sich vor, fuhr die Gräfin lebhaft fort, was mir erst un-
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