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556 Psychische Studien. XXXI. Jabrg, 9. Heft. (September 1H>4)
stecktwerden von Gegenständen, dachte man schliesslich
gar nicht mehr daran. Da eines Tages wird jemand von
der Familie ganz sanft am Kopfe berührt. Ein Etwas
gleitet langsam am Rücken herunter und legt sich sacht
auf den Fussboden: das vermisste Fläschchen. Damit nicht
genug! Unter Verschluss gehaltene Kleider und andere
Gegenstände waren verschwunden, wenn man sie brauchte
und kamen in anderen verschlossenen Möbeln zum Vorschein»
Als eines Abends die beiden Töchter sich niedergelegt und
auf das Nachtschränkchen den Leuchter gestellt hatten,
sahen sie, wie sich der Leuchter von der Marmorplatte erhob
und, wie von unsichtbaren Händen getragen, unter der
gegenüberstehenden Kommode verschwand.
Durch alles dieses nachdenklich gemacht, beschloss die
Familie zunächst, zum Gebete ihre Zuflucht zu nehmen.
Man rief wiederholt gemeinsam mit Nachdruck: „Wir sind
Christen; wenn ihr von Gott seid, was wollt ihr dann von
uns?" Aber alles das nützte nichts, dem Werke der Geister
ein Ende zu bereiten. Vielmehr bewegten sich Gegenstände
nach wie vor, die Betten landen sich umher geworfen, wenn
sie das Dienstmadehen auch kurz vorher gemacht hatte.
So vergingen einige Monate, ohne dass eine Aenderung
eingetreten wäre. Der Besitzer des Hauses, die Hausbewohner
, einige Freunde waren darauf aufmerksam gemacht,
uud man fand sich damit ab, so gut es ging. Schliesslich
hielten es Frau und Töchter nicht mehr aus; eine hochgradige
Erschöpfung hatte sich ihrer bemächtigt und die
Familie beschloss, es einmal wenigstens mit einem provisorischen
Aufenthaltswechsel zu versuchen. Bei einer befreundeten
Familie, wo sie Aufnahme fand, ereignete sich
nichts, und man lebte bereits der Hoffnung, dass Alle^
vorüber sei. Frau Olivieri wagte sich daher schon nach
kurzer Zeit in die heimgesuchte Wohnung, die sie in bester
Ordnung verlassen hatte. Jedoch nicht ohne schlimme
Ahnung, erbat sie sich die Begleitung einer Nachbarin des
3. Stockes, und als sie öffnete, fand sie Alles an anderem
Platze: Besen, Kämme, Gläser, Teller, Hüte, Kissen, Anzüge
, alles nur nicht da, wo es hingehörte. In ihrer Angst
lief die Frau zur Polizei, damit diese konstatiren möge, dass
etwas vorgefallen sei, was alles in Unordnung gebracht.
Aber die Polizisten, skeptisch und nicht mit den hauswirth-
schaftlichen Dispositionen der Frau Olivieri vertraut, fanden
durchaus nichts Ungewöhnliches und Hessen sie allein.
Wenn nun auch die Inanspruchnahme der Polizei
keinen Erfolg hatte für die Familie, so hatte sie wenigstens
den, dass die Geschichte jetzt ruchbar wurde und eine
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