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Mrazek: War es ein Traum?
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besser „Autoskopie" den Aerzten als nicht wegzuleugnende
Thatsache wohlbekannt. Manche berühmte Leute, wie
namentlich GÖthe, sind diesen Halluzinationen mehr oder
weniger unterworfen gewesen und erlebten solche auto-
skopische Phänomene. Der französische Arzt Dr. Sollier
hat nun (laut „Neuem Wiener Journal" vom 28./III. 04.) in
einem Buche „Les Phenomönes d'autoseopie" viele interessante
Thatsachen darüber zusammengestellt. Nach ihm
kommt in bestimmten, mehr oder weniger pathologischen
Zuständen? wie Neurasthenie, Hysterie, bei Personen, die
eine doppelte Persönlichkeit haben, die Gabe vor, dass man
seinen äusseren Körper und sogar den inneren sieht. Das
wäre aber nicht eine Halluzination im eigentlichen Sinne;
die Person projizirt vielmehr die Empfindung nach aussen
und sieht ein Phantom. Es giebt, wie gesagt, nicht nur
eine äussere, sondern auch eine innere Autoskopie. —
Musseif der sich zeitlebens als „schwarzgekleideten Unglücklichen
, der mir wie ein Bruder glich", gesehen hat, wie er
es in einem seiner Gedichte beschreibt, könnte als Beispiel
der äusseren Autoskopie angeführt werden. Auch Guy
de Maupassant hat sein Gespenst gesehen. Einer seiner
Freunde berichtete dem Dr. Sollier folgenden Vorfall: „Als
Maupassant einmal an seinem Arbeitstisch in seinem Zimmer
sass, das sein Diener nie betreten durfte, während er
schrieb, schien es ihm, als ob er seine Thür sich öffnen
hörte; er wandte sich um und war nicht wenig erstaunt,
als er seine eigene Person eintreten sah, die sich ihm
gegenübersetzte, den Kopf in die Hand stützte und ihm
Alles zu diktiren begann, was er schrieb. Als er geendet
hatte und aufstand, verschwand die Halluzination."
HL Abtheilung.
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
Zur Psychologie der Todesstunde.
Ueber das, was in einer Menschenseele und in einem
Menschenkörper in der letzten Lebensstunde vor sich geht,
wissen wir ziemlich wenig, und die Psychologie hat sich im
wesentlichen darauf beschränkt, die letzten Augenblicke
zum Tode verurtheilter Verbrecher zu studiren. Bei diesen
aber ist das Nahen des Todes und der damit verbundene
Geisteszustand so anormal, dass allgemeinere Schlüsse sich
daraus schwerlich ziehen lassen. Vor allem fehlt der Todes-
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