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Kurse Notiten.
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mus das Recht zu sittlicher Beurtheilung anderer, zur Bestrafung
der Verbrecher bestritten. Hass und Leidenschaft
gegen die Person des Schlechten hat für ihn allerdings
keinen Sinn mehr, aber das Mitleid, das an deren Stelle
tritt, macht eine Bestrafung durchaus nicht unmöglich; und
Neigung und Achtung werden sich nach wie vor nach dem
sittlichen Werth des Andern bemessen. So ist unser Problem
keine Lebensfrage mehr für die Ethik. Wenn nur der
Determinismus die sittliche Persönlichkeit als eine unauflösbare
, thatsächlich gegebene Einheit anerkennt, weiche
einer Durchführung der prinzipiell geforderten kausalen Erklärung
im einzelnen Fall spottet, so ist der Abstand vom
gemässigten Indeterminismus für die Praxis nicht mehr
gross. — Der Vortragende schloss seine durch Klarheit und
Wärme ausgezeichneten Ausführungen mit folgenden Thesen:
1) Das „Gefühl der Freiheit" ist eine Theorie des Selbst-
bewusstseins, deren Entstehung aus der Unsicherheit über
alles Zukünftige schon genügend erklärt werden kann. 2)
Verantwortlichkeit wird nicht ausgeschlossen durch die
Konsequenzen des Determinismus, nur der Materialismus
hebt sie auf. 3) Das Problem der Willensfreiheit darf
darum nicht durch Berufung auf den Bestand von Sittlichkeit
und Ethik als gelöst angesehen werden, vielmehr
kann es nur im Zusammenhang mit den allgemeinsten
metaphysischen Begriffen, namentlich dem der Kausalität,
tief genug erfasst, und nur, wenn deren Feststellung gelingt,
mit gelöst werden.
c) Der Geist des Professors Siägwick und
Mme. Thompson. In einer Sitzung der S. P. R. zu
London vom 7. Dezember v. J. brachte (laut Januarheft
der „Revue d'Etudes psyehiques") der Ehrensekretär Mr.
Piddington die Auszüge eines sehr umfangreichen Berichts
über die Mediumität der Mme. Thompson, Gattin des Professors
Thompson in Cambridge, zur Verlesung, welche ähnliche
Erscheinungen wie bei Mme. Piper aufweist. (Der Bericht
wird in den „Proeeedings" der Gesellschaft abgedruckt.)
Mr. Piddington hat, wie der verstorbene Präsident Fr. Myers,
während seiner langjährigen Experimente einen unbedingten
Glauben an die Zuverlässigkeit dieser Dame gewonnen; er
glaubt auch an die Wirklichkeit einiger unter den sich
durch ihre Vermittelung manifestirenden Persönlichkeiten,
die sich sehr verschieden von einander, aber mit ganz charakteristischen
und völlig eigenthümlichen Merkmalen ausdrücken
. Die wohl interessanteste Stelle in diesem Bericht
betrifft die angebliche Manifestation des verstorbenen ersten
Präsidenten der Gesellschalt, des eminenten Psychologen
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