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578 Psyehische Studien. XXXI, Jahrg. 9. Heft. (September 1904.)
Prof. Sidgwick. Der Berichterstatter Hess unter den Anwesenden
verschiedene automatische Schriften cirku-
liren, in welchen die Freunde und Verwandten Sidgwiek's
eine auffallende Aehnlichkeit mit dessen Schrift erkannten»
Einmal wenigstens würde demnach der Verstorbene sich
deutlich bemüht haben, durch den Mund der Mme. Thompson
zu sprechen. Mr. Piddington beschrieb diese Szene als das
am meisten „realistische und eindrucksvolle Experiment",
das ihm im ganzen Verlauf seiner Forschungen über mediu-
mistische Phänomene vorgekommen sei. „Es ist nicht, sagte
er, wie wenn er es gewesen wäre: er war es offenbar,
soweit man darüber urtheilen konnte." Die sich Sidgwick
nennende Intelligenz spielte u. a. auf einen Vorfall an, der
in einer der Vor Standssitzungen („reunicns du Oonseil de
direction de la Society") passirt war und von dem, wie man mit
einer last absoluten Sicherheit sagen kann, das Medium
unmöglich Kenntniss haben konnte. Einer der Anwesenden,
Mr. Arthur Smith, der dem Vorstand angehört, erhob sich
hierauf und erklärte, dass er sich jenes Vorkommnisses noch
ganz wohl erinnere. (Für eine animistische Deutung bleibt
also nur noch die Möglichkeit offen, dass Moie. Thompson
bei jenem Experiment den Vorfall hellsehend im latenten
Gedächtniss des Mr. Piddington gelesen hätte, falls er diesem
selbst seiner Zeit bekannt geworden war.)
d) Dunkle Punkte in der Grehirnthätigkeit.
Es ist sicher wahr, dass ein vollkommen gesunder Geist
ebenso selten ist, wie ein ganz gesunder Körper, und dass
Leute, deren Geistesleben sonst durchaus normal verläuft,
gelegentlich von eigenthümlichen krankhaften Anfällen heimgesucht
werden, unter denen sie schwer zu leiden haben.
Wie durch eine Ironie der Natur geschieht es zuweilen,
dass gerade hochbegabte Menschen mitunter von solchen
unvernünftigen Impulsen gequält werden, gegen die sich ihr
eigenes Ich auflehnt. Es ist wie eine Art von zeitweiliger
Besessenheit, und auch die Wissenschaft hat kein besser
bezeichnendes Wort dafür finden können. Dem Grade und
der Entstehung nach können diese Zufälle sehr verschieden
sein. Am bekanntesten und häufigsten ist wohl die Wortbesessenheit
, die sich darin äussert, dass die betreffenden
Personen gewisse Worte und Einfälle stunden- und tagelang
gar nicht loswerden können. Eigentümlich ist die
Thatsache, dass eine solche Wortbesessenheit fast immer an
hässliche Worte und Bilder geknüpft ist. Wo diese lautbar
werden, offenbaren sie ihren obscönen oder blasphemi«
schen Inhalt. Wenn nun auch die milde Form der Wortbesessenheit
den betreffenden Menschen vor seiner Umgebung
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