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588 Psychische ßtudien. XXXI. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1904)
ihn in politischen Fragen beeinflusst, so beeinflusste ihn
W. Menzel'& erst kürzlich erschienene „Deutsche Litteratur'
in ästhetischer Hinsicht; fortab sah er die „Litteratur unter
dem Gesichtspunkte der Zeit und des Volksgeistes" wie er
selbst sagt, und die Poesie in ihrem innigen Zusammenhange
mit dem Bedürfnisse der Erneuerung des nationalen
und gesellschaftlichen Lebens. Gutzkow wandte sich damals
dem Journalismus zu und gründete ein Journal in diesem
Sinne, das aber bald einging. Wolfgang Menzel, der „Franzosenfresser
", der Inhaber eines sehr einüussreichen Journals,
das er, damals noch nicht bildungsfeindlich und reaktionär,
sondern im christlich germanischen Sinne eines alten Burschenschafters
, beeinflusst von Börne, leitete, lud Gutzkow ein, sich
als Mitarbeiter an seinem Journale zu bethätigen und zu
diesem Zwecke nach Stuttgart zu kommen. Im Herbste
1831 fuhr Gutzkow denn auch von Berlin nach Stuttgart
(wozu er N.B. 23 Tage brauchte, woran die Cholera und
die polnischen Insurgenten Schuld waren) und betheiligte
sich fleissig an Menzels „Litteraturblatt". Beide schieden
aber schon 1832 in voller Freundschaft, worauf Gutzkow^
erste selbstständige litterarische That die anonym herausgegebenen
„Briefe eines Narren an eine Närrui" waren, eine
Schrift, die der Autor später selbst eine „jeanpaulisirende"
Arbeit nannte. „Ein herrliches deutsches Buch" urtheilte
Börne in seinen „Briefen aus Paris", und durch das Verbot
durch die Zensur fand das Buch nur um so mehr Erfolg.
Wir wollen nur aus dem 14. Briefe, welcher mit Hegels
Tode beginnt, anführen, dass da sehr richtig gesagt wird,
der Geist der Befreiungskriege habe die preussische Staatsidee
mit dem Attribut des Absoluten ausgestattet. Man
identifizire geradezu die Liebe zum Vaterland mit dem
Respekt vor dem Bestehenden. Der Liberalismus sei
dem Deutschen eine „geistige Emotion**, aber nie der
Anlass zur That; die Aufgabe der neuen Litteratur sei:
„die Erziehung der Nation zur Freiheit in Einheit". — In
dem Roman „Maha Guru, Geschichte eines Gottes" (Stuttgart
1833), der auch von Menzel noch gelobt wurde, behandelt
er das Schicksal eines von den buddhistischen
Priestern Tibets zum Gotte erhobenen Menschen; das Ganze
ist eine in ruhig erzählendem Tone gehaltene Satire auf
das erdentrückte Gottesgnadenthum der Könige, die aufgefordert
werden, „die vergangene falsche Göttlichkeit in
der wahren Menschlichkeit zu vergessen." — Die, unserer
Ansicht nach, trocken und uninteressant geschriebene
Novelle: „Die Saduccäer von Amsterdam", sollte später in
Gutzkows bestes Drama umgearbeitet werden. Vorläufig
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