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Dankmar: Geistige und soziale Strömungen etc. 593
nächster Nähe sah, verarbeitete er in der Schrift „Polen",
der die „Politischen Briefe" folgten. „Die grosse liebevolle
Demokratie der christlichen Lehre war eingesargt worden
in eine herrschsüchtige Aristokratie der Kirche, welche dem
Worte und Wesen Christi schnurstracks widersprach." Auch
Luther war mit seiner Reformation auf halbem Wege stehen
geblieben. Das sind allerdings selbstverständliche Binsenwahrheiten
, aber sie zur damaligen Zeit auszusprechen,
dazu gehörte Muth. — Nicht nur an Heine lehnte sich Laube
an, sondern ein gewisser sinnlicher Zug trieb ihn zu dem
freien Griechenthum W. Heinsens hin, an den er sich in
in künstlerischer Beziehung in seinen Brstlingsarbeiten anlehnte
(und dessen Werke er auch neu herausgab). Krieg
allem Philisterium! Das hatte Laube von Börne und Heine
gelernt und verwcrthete das, mit einem starken Zug ins
Erotisch-Sinnliche, in seiner ersten grossen Arbeit: „Das
junge Europa", deren erster Theil „Die Poeten" hiess.
Laube'$ Tendenz richtet sich darin gegen das, was ff eine
„fleischabtötendes Nazarenerthum" genannt hatte; er trat
für Wahrheit in Kunst und Sitte, für das Eecht ein: sich
das Leben schön zu gestalten. Heine, St. Simon, Heinse
sind darin seine Vorbilder und auch für die politische Freiheit
des mündig gewordenen Menschen trat er ein. Und
er ruft einmal aus: „Vielleicht wird aus dem Sarge Goethe*§
die Freiheit steigen. Mit allen Jungfrauen hat er gekost,
mit dieser schönsten nimmer!" In einem Gespräch mit
Aristokraten sagt der Held des Eomans, Vahr: „Aber es
ist doch ein grosser Schritt weiter, wenn der Erbaristokratismus
gestürzt ist und wir vielleicht leider beim Geldaristokratismus
angekommen sind, so ekelhaft dieser auch
sein mag. Die nächste Morgenröthe kann mir Geld, einige
Jahre können mir die Gelehrsamkeit, das Wissen bringen —
keine Ewigkeit, kein Gott kann mir eine Vergangenheit,
solche Ahnen geben, wie sie der Adel verlangt. Und darin
liegt das Fundament zukünftiger Zeit . . . Alle Wege
müssen offen sein zu Allem — nicht unbedingte
Gleichheit, aber unbedingt gleiche Befug-
niss zu Allem: das ist die Losung des neuen Jahrhunderts
!"
Durch seine Kritiken — er war Redakteur der „Zeitung
für die elegante Welt" in Leipzig —, durch seine Zugehörigkeit
zu liberalen Kreisen und seine Schriften gehörte Laube
in der Blüthezeit der„DemagogenriechereF schon seit längerer
Zeit zu den „Verdächtigen". Nun sollte ihn sein Schicksal
ereilen: aus Sachsen ausgewiesen, wurde er in Berlin verhaftet
und in der Hausvogtei internirt. Neun lange
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