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596 Psyohisohö Studien. XXXI. Jahr*?. 10. Heft. (Oktober 1904.)
Durch Schelling's Vermittlung wurde Mündt später Privatdozent
und dann Professor an der Universität Breslau und
heirathete die als geschickte Verfertigerin von geschichtlichen
Sensationsromanen bekannt gewordene Luise Mähibach
(recte Klara Müller).
Weder der hohe Bundestag zu Frankfurt a. M. in der
Eschenheimer Gasse, noch die löbliche Polizei konnten den
Geist des Fortschritts hemmen: vertrieben schlüpft er durchs
Schlüsselloch wieder herein! — Nach fünf Jahren wurde
das Zensurverbot gegen die Schriften Jungdeutschlands
aufgehoben, „der Fehmspruch des Bundetags hatte seine
Schrecken verloren, er wirkte nur noch als Brandmal für
diesen, als Ehrenzeichen aber für die Verfolgten/* Mit
Verehrung blickte die junge Generation zu diesen Männern
auf. Gutzkow gründete eine litterarische Zeitung „Telegraph
für Deutschland'4, deren Mitarbeiter Immermann,
Julius Mosen. Theodor Mügge, Fr. Daumer, Georg Herwegh, Beck,
Hebbel, Dingelstedt u. a. wurden und welche grosse Bedeutung
gewann. Auch das Theater eroberte sich das „junge Deutschland
" und verkündete von der Bühne herab zeitbewegende
Gedanken. Unter dem Pseudonym Leonhard Falk erschien
1839: „Richard Savage, der Sohn einer Mutter44, ein realistisches
Drama modernen Stils, das maassgebenden Einfluss
auf die Neubelebung des dramatischen Schaffens nicht nur
hatte, sondern auch eine neue Aera der Schauspielkunst
heraufführte. Gutzkow ist der Neubeieber der realistischen
Zeit- und Sittenkomödie, des bürgerlichen Schauspiels
moderner Art, wie es Hebbel, Otto Ludwig, Bauernfeld zunächst
fortsetzten. Dem ersten Stücke folgte Werner, oder
Herz und Welt" und das politische Trauerspiel „Patkul",
in dem der verhaftete Held sagt: „Die Pflugschar der
Tyrannei muss in den Erdboden tiefe Furchen reissen,
damit die Freiheit daraus erblühe! . . , Jedem Freiheitsseufzer
aus dem kleinsten Erdenwinkel antwortet donnernd
einst der Jubel der Jahrhunderte !* Das Jahr 1847 brachte
Gutzkow^ zwei beste dramatische Werke: „Uriel Acosta",
ein Trauerspiel, und ,,Das Urbild des Tartuffe" ein Lustspiel
: seine Meisterdramen. In jenes hatte der Dichter
(der denselben Stoff ja schon in seinen „Saduccäern von
Amsterdam*'* behandelte) ein Stück von seinem eigenen
Streben und Ringen eingewoben, von seinen Kämpfen gegen
die Mächte des Wahns, gegen die politische und kirchliche
Unterdrückung: Uriel Acosta ist der junge Gutzkow selbst!
Es ist das Humanitätsideal des jungen Deutschlands,
das der Arzt de Silva zum Schlüsse in den schönen Worten
kündet:
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