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Dankmar: Geistige und soziale Strömungen etc 597
. . . O, geht hinaus
Und predigt: Schonung, Duldung, Liebe!
Und was der wahre Glaube? Ach! der Glanz
» er alten Heiligthümer, seh' ich, schwindet.
Glaubt was Ihr glaubt! Nur überzeugungsrein!
Nicht was wir meinen siegt, de Santosl Nein,
Wie wir es meinen, das nur überwindet.*)
Gutzkows Herz war stets bewegt von den Problemen der
Zeit; „seine Gestalten fochten im Kampfe der Geister nrit4*,
wie Karl Frenzel in seinem Gutzkow-IS ekroioge richtig bemerkte
. Stets verband der Dichter Bühne und Leben und
es charakterisirt ihn nichts mehr, als die Worte, welche er
seinem Moliere im „Urbild des Tartuffe", in den Mund
legte: „In der Poesie suche ich eine Waffe zu finden für
den Kampf der Aufklärung gegen die Lüge", welche lobens-
*) Im IL Auftritt des IV. Aufzuges findet sich, als der neunzigjährige
Ober-Rabbi Ben-Acciba im Tempel Acosta zum Widerruf ermahnt
, eine Stelle, welche schwer verständlich ist. Atciba spricht
da von Einem, der auch „zweifelte", gleich Acosta, und der deshalb
nach seinem Tode verflucht ward. „Dunkel stieg aus dem Grabe
ein ewiger Rauch", bis dei Schüler des Verfluchten diesem die Ruhe
durch Gebet wiedergab und siehe: „aus dem Grabe rauchte es
nicht mehr." So viel uns wenigstens von der altjüdischen Mystik
bekannt ist, kann hier nur von folgendem Vorgange die Rede sein;
Elischa {E'isa) ben Abuja, der Acher genannt wurde, galt bei Lebzeiten
als des Parsismus verdächtig, da er an eine unmittelbare
Leitung des menschlichen Schicksals durch Gott nicht glaubte,
sondern einen ewigen Kampf zweier Prinzipien annahm. Er war,
wie nur Wenige vor ihm, in alle Geheimnisse der Kabbala eingedrungen
, wurde auch in den Himmel entrückt, wo er Metatron
(den Engel) die Verdienste Israels aufzeichnen sah. Nach seinem
Tode kam Elischa in das Gehinom i Fegefeuer) und konnte
wegen seiner Ketzerei nicht in den Himmel eingehen; wegen seiner
tiefen Weisheit und Reinheit wurde er aber auch nicht bestraft.
Da sagte Elischa'% Lieblingsschüler Rabbi Mein er werde für Elischa
beten, denn es sei besser, dass dieser bestraft, aber dann des
Himmels theilhaftig werde. Und des Schülers Gebet wirkte, denn
aus dem Grabe stieg plötzlich dunkler Rauch auf, zum Zeichen,
dass jenes Gebet erhört und Elischa gerichtet werde. (Wie man
sieht, hat Gutzkow die Sache in Etwas verändert.) — Nun lebte ein
grosser Kabbaiist, des Namens: Elias Levita, eigentlich Elthu ben
Ascher Hallevi in der I. Hälfte des 16. Jahrhunderts in Deutschland
und Italien. (Wahrscheinlich 1472 bei Nürnberg geboren, 1549
in Venedig gestorben.) Dieser aber war einer der Hauptvermittler
des Studiums der hebräischen Sprache, welche damals gerade (seit
Reuehlin) so eifrig studirt wurde. Elias Levita lebte z. B. 13 Jahie
zu Rom im Hause des Augustiner-Orden-Generals Egidio de Viterbo,
um diesen in die Geheimnisse der Kabbala einzuweihen, unterrichtete
den bekannten Dr. Eck (eigentlich Johannes Maier aus Eck
a. d. Günz) und erhielt vom König F/anz I. einen Ruf nach Paris,
um daselbst einen Lehrstuhl der hebräischen Sprache einzunehmen.
— Ob nun dieser Elias Levita mit Elischa ben Abuja identisch ist,
war uns nicht möglich festzustellen.
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