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E . . . .: Merkwürdige Erlebnisse.
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fühlte einen Stoss mitten unter der Matratze, der mich mit
einem Ruck etwas in die Höhe stiess. „Fort da, Mohr!"
rief ich, weil ich diese beliebte Unart an ihm kannte und
weil ich in diesem Augenblick nicht an den Tod des
Thieres dachte. Alles blieb still — und ich wurde nachdenklich
. Am folgenden Abende wiederholte sich dieselbe
Wahrnehmung, wenn auch etwas schwächer; — dann reisten
wir nach Deutschland ab.
Erst nach 7 Monaten kehrten wir heim und im November
nahm ich eine neue Wohnung, die, der alten entgegengesetzt
, auf der anderen Seite des Stromes war, wo
Mohr begraben lag. Es verstrieben abermals 14 Monate
und das Weihnachtsfest war schon zum zweiten Mal wieder
vor der Thür.
Am Morgen des 24. Dezember war ich eitrig mit dem
Schmücken des Weihnachtsbaumes für meine kleine Tochter
beschäftigt. Ich dachte an nichts als an das Kind und an
Glaskugeln, bunte Lichter und Pfefierkuchen, — da höre
ich plötzlich, wie duich die zur Küche offenstehende Thür
ein Hund in gestrecktem Galopp ins nebenan liegende Speisezimmer
gelaufen kommt. Er kommt dann in den Salon und
galoppirt dicht an mir vorüber. Ich höre das Anschlagen
der Füsse, unterscheide genau das Klirren der Krallen
auf dem blanken Pussboden und höre, wie das Thier in
der Ecke beim Schaukelstuhl Halt machen will. Weil es
so stürmisch läuft, kommt es beim plötzlichen Stillstehen
dazu, ein Stück Wegs mit allen Vieren zu rutschen; dann
legt es sich nieder und ich höre sonderbarer Weise, dass,
als es sich schwer fallen lässt, seine Beine wie Hölzchen
klappern (oder sollten es Knöchelchen gewesen sein)?
Ja, das hörte ich deutlich und sah mich dabei nach
dem Hunde um. — Aber nichts war zu sehen! Ich schob
den Schaukelstuhl von der Ecke neben dem Fenster ab,
um mich zu vergewissern, ob nicht eine Riesenratte dasass:
es war nichts zu finden. Ich trat verwundert wieder an
den Baum und putzte ihn weiter aus. Da bemerkte ich,
wie unter den Aesten des Weihnachtsbaumes, die fast den
Fussboden streiften, etwas Graues, undeutlich Umrissenes
sich hin und her bewegte. Man konnte es nach der Art
der Bewegung zu urtheilen, für einen kleinen Hund halten,
der sein Hintertheil hin und her bewegt, wie dies Hunde
thun, wenn sie gleichzeitig erfreut und verlegen sind.
In dem Augenblicke senkte der Baum sich in Folge
ungleichmässiger Belastung zur Seite und ich musste ihn
mit erhobenen Armen stützen, konnte mich also nicht bücken,
um das Graue näher zu betrachten. Ich rief: „Mieze, bist
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