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658 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 11. Heft. (November 1904.)
während seines Lebens als unantastbare Autorität galt, und
A. v. Humboldt an und führten so den Sturz des Neptunismus
herbei. Gh. Lyell, der des Deutschen Hoff unbeachtet gebliebene
Ideen verwerthete, hat dann beide Theorien, die nep-
tunistische und die plutonistische widerlegt resp. berichtigt,
indem er lehrte, dasR die Umwälzungen der Erde allmählich
und lokal durch die stille, geologische Thätigkeit
des Wassers (Ozeane, Flüsse, Regen), des Windes und Eises
geschieht; die Summirung dieser Paktoren in langen Zeiträumen
ist der erdrindebildende Paktor gewesen.
Alexander v. Humboldt9 s Thätigkeit können wir hier nur
streifen. Er ist, neben Carl Ritter, der Begründer der
physikalischen und vergleichenden Erdkunde. Em unendlich
vielseitiger Mann: er hat als Geograph und Reisender
nicht nur, sondern auch als Physiker, Geolog, Mineralog,
Botaniker, Astronom, Meteorologe Bergbaukundiger Grosses
gewirkt, war bis in sein spätes Alter überall befruchtend
und anregend thätig, genoss eine unbegrenzte Verehrung
in allen Kulturstaaten und starb, mit Ehren überhäuft,
90 Jahre alt am 6. Mai 1859. Er war zu Lebzeiten eine
Weltberühmtheit und hatte seine unantastbare Stellung
verdient; er wird mit Recht der Nestor der modernen Naturforschung
genannt, denn er beherrschte fast alle Zweige
der Naturwissenschaft in universeller Weise; und wenn
er in einzelnen Disziplinen von Spezialisten heutzutage
natürlich überholt worden ist, die Weite seines Blickes, die
Tiefe seiner Erkenntniss wird stets die Bewunderung der
Nachwelt erregen. Vor allen Dingen bleibt Humboldt für
alle Zeiten das Musterbild eines unerschrockenen Reisenden
im wissenschaftlich - grossen Sinne. Mit dem Botaniker
Atme Bompland trat er am 5. Juni 1799 seine erste grosse
Weltreise an, die ihn durch bis dahin wissenschaftlich noch
unerforschte Länder führte. (Besteigung des Chimborazo
am 23. Juni 1802). 1829 trat er seine zweite grossartig
ausgestattete Expedition durch das nördliche Asien an. Die
Ausbeute dieser Reisen, besonders für die Botanik, war
gross; die geographische Verbreitung der Plora und Pauna
wurde studirt und die ^ogen. klimatologische Geographie
begründet. Die Resultate seiner Reisen und Forschungen
hat Humboldt in zahlreichen Werken in fesselnder Sprache
niedergelegt. Humboldt war niemals Materialist; gerade
weil er der grösste Polyhistor des 19. Jahrhunderts
war, so hat ihn diese Universalität seines Wissens vor der
Ueberhebung des Spezialistenthums bewahrt. Seine tiefe
Einsicht in das Werden aller Dinge, in die wirkenden
Kräfte der Natur, hat ihn zu einer grossartigen Welt-
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