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Dankuiar: Geistige und soziale Strömungen ete.
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in Noth und Elend versetzt, auf das Pflaster geworfen und
so (wie Marx sagt) die grosse „industrielle Reservearmee"
gebildet, welche froh ist, wenn sie unter dem Werthe
ihrer Arbeitskraft bezahlt wird, wodurch sie den Lohn der
Andern drückt.
Fr. Engels weist nach, dass das Privateigenthum Jeden
auf seine eigene rohe Einzelheit isolire, weil jeder dasselbe
Interesse hat, wie sein Nachbar, und in dieser Verfeindung
der gleichen Interessen besteht eben die Konkurrenz.
Diese spiegelt den schroffen Widerspruch zwischen dem
allgemeinen und dem individuellen Interesse wieder. Im
Interesse jedes Einzelnen liegt es ja nämlich, Alles zu besitzen
, aber das Interesse der Gesammtheit verlangt, dass
jeder nur das ihm N othwendige, das ihm Gebührende
besitze. Wir verhungern vor üeberfluss; ein Theil des
Kapitals cirkulirt mit ungeheuerer Schnelligkeit, während
ein anderer todt im Kasten liegt; ein Theil der Arbeiter
arbeitet 14—16 Stunden des Tags, während andere unthätig
herumstehen und hungern müssen. So unlogisch, so blind
und bewusstios ist unsere heutige planlose Wirtschaftsordnung
! Und Engels fügt hinzu: „Produzirt mit Bewusst-
sein als Menschen, nicht mehr als zersplitterte Atome ohne
Gattungsbewusstsein, und ihr seid über alle diese künstlichen
und unhaltbaren Gegensätze hinaus." Ein immanentes
Gesetz des Privateigenthums sei es, dass die Mittelklassen
immer mehr verschwinden ,,bis die Welt in Millionäre und
Paupers, in grosse Grundbesitzer und Tagelöhner zerfällt."
„Proletariat und Reichthum sind Gegensätze. Als solche
bilden sie ein Ganzes. Sie sind beide Gestaltungen des
Privateigen thums/' Im bewussten Gegensatz zu seinem
Lehrer Hegel, der den Staat der Gesellschaft überordnete,
beweist Marx, dass die Gesellschaft (das Lebendige) dem
Staate (einem Abstractum) übergeordnet ist. „Nur der
politische Aberglaube bildet sich noch heutzutage ein, dass
das bürgerliche Leben vom Staate zusammengehalten werden
müsse, während umgekehrt in der Wirklichkeit der Staat
von dem bürgerlichen Leben zusammengehalten wird/4 Der
Staat ist zur Besorgung gewisser gemeinsamer Angelegenheiten
da und über ihm steht das Volk in seiner Gesammtheit
. Der Staat ist eine künstliche Mechanik, etwas gewaltsam
Gewordenes, entstanden aus dem Bedürfnisse:
Klassengegensätze im Zaum zu halten, — also ein Klassen-
s taat.
Die bisherige Gesellschaft beruht auf dem Gegensatze
unterdrückender und unterdrückter Klassen. Die Herrschaft
der Kapitalisten beruht auf der Lohnarbeit, die Lohnarbeit
Psychische Studien. November 1904 43
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