Freiburger historische Bestände - digital

668 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 11. Hett. (November 1904.)

Gärtner nicht vor. Ich sah ihn jedoch auf halbem Wege
zum Gewölbe gehen und machte meine Mutter sofort darauf
aufmerksam. Wie verwundert war ich aber, dass sie
ihn nicht sah, da er doch sehr leicht zu erkennen war!
Er trug nämlich einen sehr auffallenden Rock aus buntem,
grosskarrirtem Stoff. Da meine Mutter den Gärtner nicht
sah, drängte ich sie vorwärts; als ich sie dann bei der
Hand fasste und ihr ihn wieder zeigte, sah sie ihn endlich.
Wir folgten ihm nun und riefen ihn beim Namen; zu
unserer grossen Verwunderung schien er uns aber zu fliehen.
Als wir, ins Laufen gerathen, ihm schliesslich so nahe
waren, dass ich schon die Hand nach ihm ausstreckte, bog
er gerade in die am Ende des Gartens befindliche Laube
ein. Gleich darauf hörte ich einen Schrei und war wie versteinert
, als ich mich umwandte und den Gärtner aus dem
Gewölbe herauslaufen sah. Da ich annehmen musste, dass
er geflogen, wollte ich ihn fragen, wie er es gemacht; hieran
wurde ich aber von meiner Mutter gehindert, die mich
heftig am Arm erfasste und Schweigen gebot. Dabei sah
sie sehr bleich und erregt aus. Und so schwieg ich denn.
Drei Tage darauf starb der Gärtner plötzlich und merkwürdigerweise
genau drei Monate hinterher, am gleichen
Monatstage und um die selbe Stunde, meine Mutter. —

Obschon ich begriffen, dass es sich im Falle des Gärtners
um ein Gesicht und nicht um einen Flug handelte, war
ich in der Folge doch weder furchtsam, noch leichtgläubig,
wie es das folgende Erlebniss bezeugen mag. Als ich kon-
firmirt wurde, wohnte ich auf dem Lande beim Pastor.
Zum Hause einer Freundin, die ich oft besuchte, führte
mich der nächste Weg über den Kirchhof, auf dem es, wie
man mir gesagt, spuken sollte. Und richtig, als ich eines
Abends spät durch den Kirchhof ging, hörte ich in der
Nähe einer Gruft ein Geräuch, als ob mit den Händen geklatscht
würde. Ich kehrte um und hörte, nachdem ich zu
einer bestimmten Stelle gekommen war, dasselbe Geräusch.
Ich blieb stehen und stampfte wiederholt fest auf die Erde,
worauf ich von der Gruft her jedes Mal dasselbe Geräusch
vernahm, das also nichts weiter, als ein Echo war. In
dieser Weise bin ich später mehrere Male durch genaue
Untersuchung von scheinbar mystischen Vorgängen zu
natürlichen Erklärungen gekommen. Dies wollte ich vorausschicken
, bevor ich von dem Hause spreche, in dem ich
jetzt wohne und diese Zeilen niederschreibe.

Vorerst will ich jedoch noch von einem Gesichte erzählen,
das ich hatte, ehe wir hierher zogen. Meine ältere Schwester
bekam die Lungensucht, weshalb sie den Winter in Malmö