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Seiling: Okkulte Erlebnisse der Baronin Peyron. 669
zubringen sollte, wohin sie denn nach Weihnachten auch
abreiste. Sie war zwar sehr schlimm daran, doch schien
eine unmittelbare Gefahr ausgeschlossen. Da träumte mir,
dass meine Schwester und ich uns auf einer Reise befanden
und dass sie, mich umarmend, auf lange Zeit von mir Abschied
nahm. Indem ich sie zurückzuhalten suchte, weinte
ich so heftig, dass mein Mann, der es gehört, mich weckte.
Als ich erwacht war, sah ich meine Schwester neben
meinem Bette stehen, worauf sie mir einen Handkuss gab
und, mit der anderen Hand nach oben zeigend, auf die
Thüre zuschritt, wo sie verschwand. Ich konnte die Erscheinung
ganz deutlich wahrnehmen, weil im angrenzenden
Kinderzimmer, dessen Thüre geöfinet war, ein Nachtlicht
brannte. Fest überzeugt, dass meine Schwester jetzt gestorben
, bat ich meinen Mann, nach der Uhr zu sehen; sie
war halb zwei. Am Morgen sagte ich zu einer bei uns auf
Besuch weilenden Freundin, dass meine Schwester Aurora
in der Nacht um halb zwei gestorben sei. Kaum hatte die
Freundin unter Lachen gesagt, dass dann schon längst ein
Telegramm da wäre, als die telegraphische Nachricht mit
jener Zeitangabe wirklich ankam. —
Bald nach diesem Vorfall kaufte mein Mann das Landgut
, das wir noch jetzt bewohnen. Hier sollten drei Selbstmorde
und ein Mord begangen worden sein. Im Laufe des
Sommers bat ein Dienstmädchen sich aus, in einem anderen
Räume zu schlafen, weil sie des Nachts eine Gestalt mit
einem grossen Hunde gesehen, der sich winselnd unter ihr
Bett gelegt habe. Ich selbst hörte von% Anfang an jede
Nacht, dass eine über meinem Schlafzimmer gelegene Bodenkammer
geöffnet und dort Geräusch gemacht wurde. In
dieser Kammer sollte sich eine alte Frau erhängt haben.
Ich war damals noch nicht Spiritistin und wusste nicht,
dass manche Selbstmörder ihre schreckliche Handlung immer
und immer wieder begehen. Ich neigte, nebenbei gesagt,
sehr zum Pietismus und fand meinen Trost in ihm, ohne
zu ahnen, wie unzulänglich er später für mich werden
sollte.
Im August wurde der Spuk immer schlimmer, besonders
in dem an mein Schlafgemach angrenzenden Zimmer. Er
begann stets damit, dass auf die Fensterscheiben geklopft
wurde; dann folgte ein richtiger Hexensabbath: Stühle und
Tische wurden hin und her geschoben, mit Klöppelhölzern
wurde geworfen und verschiedenartigster Lärm war vernehmbar
. Ein Battenfänger, der bei mir im Zimmer war,
kroch, so bald er die ersten Klopftöne hörte, heulend unter
meine Bettdecke und war nicht wegzubringen, so lange der
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