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Keich: Ueber die natürlichen Ziele menschlicher Vervollkommnung. 691
ist durch seine Entartung bedingt, welche Folge ist des
unglücklichen Systems vom tantum-quantum. Wahrhaftig,
doch nur nebenbei bemerkt, Baumkiettern und Früchte-
sammeln wäre für das Individuum ebenso, wie für die ganze
Menschheit, unendlich segenbringender als blödsinniges
Aktenkritzeln in der Sklaverei und Entartung der Jurisprudenz
und Nationalökonomie des verruchten Egoismus.
In Bezug auf Leiden, Uebel machen Gelehrte wie Ungelehrte
oft genug, ja in der Regel, sich unrichtige Vorstellungen
. Dies kommt daher, dass man das Uebel nicht
mit dem geeigneten Maassstab misst und nicht aus höherem
Gesichtspunkt betrachtet. In der zweiten Abtheilung des
zweiten Bandes meines Werkes „Die Entwickelung der
Religiosität und das Werk der Religion" (Zürich, 1896—98)
und in meinem Buche „Der Kosmos des Uebersinnlichen
und die Entwickelung der Wesen" (Berlin, 1898) habe ich
das auch unter günstigsten Verhältnissen entstehende Uebel
als unvermeidliches Nebenprodukt des Weltprozesses auf-
gefasst und dargelegt, wie dasselbe dazu dient, den rechten
Weg zu finden und das Maass des Guten zu erhöhen. Des
ferneren zeigte ich, dass der Mensch durch Fortschritt in
wahrer Zivilisation es in seiner Macht habe, den grössten
Theil des vorhandenen, unter Einfluss des tantum-quantum
beständig und in üppiger Art sich erzeugenden Bösen zu
entfernen und zu verhüten; und in allen meinen Werken
aus der Zeit nach 1875 bis zur Gegenwart lieferte ich den
Nachweis, wie durch Pflege der guten Keime der Seele
vermittelst umfassender geistiger und religiöser, hygieinischer
und sozialer Erziehung unter Herrschaft des sozialökonomischen
Systems der altruistischen Gegenseitigkeit,
sowie unter Einfluss streng moralischer, naturgemässer Politik,
das Böse nothwendig immer mehr und mehr Boden verlieren
und auf jenes Minimum sich einschränken müsse,
welches oben angedeutet wurde.
Das augenblicklich innerhalb der gesitteten und barbarischen
menschlichen Gesellschaften herrschende Böse ist
darum maasslos und sucht alle guten Keime zu vernichten,
weil das System des tantum-quantum in seiner heutigen
Potenzirung und bei fortschreitender Verkleinerung des
Gegengewichts von Religion , Idealismus und Naturgemäss-
heit, alles Schlechte herausifordert und in wahrhaft raffi-
nirtester Weise züchtet. Die von Nationalökonomie und
Jurisprudenz des Egoismus hervorgebrachten Missstände,
zu denen Militarismus und andere -ismen, sowie ein Höllenpfuhl
von Entartung gehören, lassen die Saat des Bösen
zu dichtem Urwald von Giftpflanzen emporwachsen und
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