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692 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 11. Heft (November 1904.)
pestliauchende Sümpfe entstehen, welche die Geschöpfe der
Erdoberfläche, besonders den Menschen, oft genug zu Wesen
Satans gestalten.
Nicht Eingeweihte glauben nun alles Ernstes, die Welt
(des Menschen und der von demselben verdorbenen Thiere)
sei verloren, zur Vernichtung bestimmt. Dies aber erscheint
als Irrglaube; denn theils belehrt uns ja die Geschichte
darüber, dass die Menschheit oft genu^r durch die entsetzlichsten
Krisen sich durcharbeitete, theils ist jedem mit freiem
Sinn und offenen Augen bekannt, dass Zunahme der Er-
kenntniss in Verbindung mit Veredelung des Gemüths zu
den Mitteln leite, welche Qual, Leid, Uebel nicht vermehren,
sondern austilgen. Sowie höhere Stufen geistiger und religiöser
Entwicklung erreicht werden, müssen die Leiden
scliwinden, welche Dummheil. Rohheit, Habgier und niedere
Passionen aller Art erzeugten; aus dem Morast früherer
Entwicklungsstufen entsteht bei harmonischer Entwickelung
und Vervollkommnung der Seele ein Paradies. Es bedarf
also nur der normalen Ausgestaltung und Vervollkommnung
des Menschen in wahrer Gesittung, um Qual und Pein aus
dem Leben zu schaltet).
Diese Ausgestaltung und Vervollkommnung muss das
Individuum besorgen durch strenge und vollkommene
Selbsterziehung, und muss die Gesellschaft besorgen
durch Erziehung, Bildung, Religion, Hygieine und Setzung
aller politisch-moralischen wie sozial-ökonomischen Verhältnisse
in völlig naturgemässer Art. Wenn also jeder Einzelne
und die ganze Gesellschaft sich die grösste Mühe geben,
alles Sein und Thätigsein naturgemäss und glücklich zu
gestalten, so kann es nicht fehlen, dass wirklich gute und
erfreuliche Ergebnisse zu Tage kommen.
Auf die Präge, was herauskomme bei allem Leben und
Streben in der soeben bezeichneten Richtung, antworteich:
Vermehrung der Harmonie, Vervollkommnung, Glückseligkeit
, höhere Erkenntniss, wahre Religion, Gesundheit, und
dies alles zur Förderung höchster Zwecke Gottes in der
moralischen und physischen Weltordnung. Das einfache
Nachdenken über die Thatsachen der Geschichte, Erfahrung
und Wissenschaft leitet jeden Vorurteilsfreien zu der
üeberzeugung, dass das Leben kein „Geschäft ist, dessen
Ertrag bei weitem nicht die Kosten deckt", sondern dass
Schmerz bei allen Wesen durch Freude mehr oder minder
ausgeglichen werde; ein Augenblick der Freude wiegt hundert
Momente Schmerzes auf. Je mehr irgend weiche
Wesen sich vervollkommnen und zu höheren Stufen moralischer
, intellektueller, gesundheitlicher und sozialer Ent-
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