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702 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 11. Heft. (November 1904.)
e) Ein neues Werk von Wallace. Der berühmte
Naturforscher Alfred Russell Wallace, der auch die
grosse, nach Darwin genannte Entwickelungstheorie unabhängig
von seinem noch berühmteren Landsmann gefunden
hatte, beschäftigt sich (laut „N. W. J." v. 9. VI. er.) in einem
reizend geschriebenen Aufsatz, der soeben veröffentlicht
worden ist, mit einem Märchen aus Tausend und einer
Nacht. Er bekennt sich zunächst zu dem Glauben, dass
die Volkssagen und Märchen in einem engeren Zusammenhange
mit naturwissenschaftlichen Wahrheiten zu
stehen pflegen, als gewöhnlich angenommen wird. Ihre
Grundlage beruht vielfach auf Naturbeobachtungen, die
dann eine weitere Ausgestaltung durch die Phantasie erfahren
haben. Als Beispiel nennt er die Angabe, dass
Schlangen ihre Jungen verschlingen, die lange als erdichtet
betrachtet worden ist, bis sie sich dann als wahr erwiesen
hat. Aus dem grossen arabischen Märchen werk wählt
Wallace die Erzählung von den Inseln Wak-Wak. Dutch
eingehende Untersuchungen ist er zu dem Schlüsse gekommen
, dass auch diese Inseln nicht lediglich einer phantastischen
Schilderung zu Liebe geschaffen worden sind,
sondern thatsächlich existiren. Er deutet sie auf die Aru-
Inseln, die südlich von Neu-Guinea liegen, und ihren
Märchennamen Wak-Wak führt er zurück auf den dort
wohnhaften Paradiesvogel. Die Oertlichkeit, wohin die
„Braut mit dem Federkleid" gebracht wurde, findet er in
dem büdwestlichen Vorlande des Elbrus-Gebirges. Nun
versucht Wallace weiter, die Reise Hassan's nach den Inseln
Wak-Wak auf der Karte zu verfolgen. Das Land der
wilden Pferde erklärt er als Tibet, von wo der sagenhafte
Reisende nach China und bis ins Meer gelangt sein müsste,
von wo aus er vielleicht die Hinterindische Halbinsel erreichte
. Die scheinbar übernatürlichen Wunder, die Hassan
auf der weiteren Reise begegnen, erklärt Wallace sämmtlich
aus thatsächlichen Verhältnissen, die sich in dem Gebiete
zwischen Malakka und den Aru-Inseln finden. Nicht dass
Hassan selbst diese Inseln jemals besucht hätte, sondern er
gab seine Erzählungen nach dem Bericht Solcher, die bis
dorthin gelangt waren. In der Geschichte von Hassan, wie
sie uns in „Tausend und einer Nacht" überkommen ist,
scheinen zwei verschiedene Sagen miteinander vereinigt zu
sein. Die eine beruht auf der Bewunderung des prachtvollen
Gefieders jener Paradiesvögel; andererseits wird ihr
Ruf Wak-Wak als Name eines Berges und der Insel selbst
angegeben, und nach der Laune des Dichters wird er
nicht von einem Vogel ausgestossen, sondern von mensch-
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