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Dankinar: Geistige und soziale Strömungen etc. 715
der ganzen kontinentalen Politik in seiner Hand. In seiner
patriarchalisch-despotischen Art besorgte Kaiser Franz, der
-sich selbst seinen „besten Hofrath11 nannte, im Inneren Alles
selbst. Alles war geknechtet und stumm, in dem grossen
durch Gewalt zusammengepressten Völkerchaos regte sich
nichts — noch nichts!
Wir haben (in Theil 0, Buchausgabe p. 91) schon gehört
, wie mit Oesterreichs Hülfe der elende „re bomba"
wieder nach Neapel zurückkehrte, wie Metlernich gegen die
Befreiung der Griechen war, Fpsilanti verhaften liess und
in Munkäcz internirte. Als nach der Julirevolution auch
in Oberitalien die Pürsten von Parma und Modena vertrieben
, aus der Romagna die verkommenen päpstlichen
Behörden verjagt wurden, da waren es wieder Oesterreichs
Truppen, welche (1831) die „Ordnung** wieder herstellten,
wie die beliebte Phrase lautet. Ueberhaupt sorgte der
allgewaltige Metternich für die einzelnen Dynastien, die ihn
alle mit Pensionen" bezahlten und mit Titeln und Orden
überhäuften. Des österreichischen Staatskanzlers Haupt-
maxime dabei war: „dass es den Fürsten aHein zustände,
die Geschicke der Vöiker zu leiten, und dass die Fürsten
für ihre Handlungen Niemand ausser Gott verantwortlich
seien." Das schloss in sich: das System der Stabilität nach
Aussen, der Stagnation nach Innen. Das starrste Polizeisystem
mit obligaten Spionen vergiftete das staatliche Leben
Oesterreichs bis ins Mark. Dabei wurde nichts gethan für
Handel und Industrie, für Schule und Kunst und Geistesfortschritt
. Kaiser Franz war eben jedem Fortschritte
abhold, selbst in Bezug auf Verwerthung der natürlichen
Hülfsquellen des Landes und in Bezug auf Finanz- und
Verhaltungsreformen. Charakteristisch für den Mann sind
seine letzten Worte — er starb am 2. März 183o — zu
seinem Sohne und Nachfolger: „Verrücke nichts an den
Grundlagen des Staatsgebäudes. Regiere, aber verändere
nicht."
In diesen Zeitläufen, da Metternich und Franz der
lothringisch-habsburgischen Hauspolitik ihr inferiores Gepräge
gaben, lebte in Wien, als Konzeptpraktikant an der
k. k. Hofkammer, später als systematisirter Hofkonzipist
und noch später (1832) als Direktor des Hof kammerarchivs,
ein Deutsch-Oesterreieher, der zu den grössten Dramatikern
gehört, die in deutscher Sprache geschrieben haben: der
1791 geborene, 1872 gestorbene Franz Grillparzer. Der
Arme, der soviel Anlage zur Hypochondrie hatte und verbittert
war durch die geringe Anerkennung, die er in Wien,
diesem „Gapua der Geister", wie er es selbst nannte,
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