http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1904/0766
Eosseths Nur ein Traum.
755
empfand, vielmehr ein Gefühl der Neugier, die sich darauf
konzentrirte, dass ich gern wissen wollte, wem die Leiche
angehöre. Ich blickte umher, um den fehlenden Kopf zu
suchen, fand ihn aber nicht, sondern nur das Fragment eines
Hemds und ein Taschentuch mit dem Monogramm E. K.
Beides noch in der Hand haltend und verwundert betrachtend
, erwachte ich plötzlich mit dem Gefühl eines
heftigen Schauers.
Ich blickte mich um, es begann schon .hell zu werden
und die Uhr zeigte die siebente Stunde. Ich rief meine
jüngste Tochter, die mit mir im Zimmer schlief, und erzählte
ihr meinen Traum. Erst jetzt begann mir eigentlich
klar zu werden, wie schauerlich er gewesen. Ganz besonders
gab mir der Umstand bezüglich desMonogramms zu denken, das
ich so deutlich sichtbar vor Augen gehabt. Meine Tochter
führte die Buchstaben E. K. als Monogramm, — sollte ihr
etwas Grässliches zugestossen sein? — Einige Tage vergingen
mir in grosser Unruhe. Es trieb mich hin und her
und ich wusste ni<*,ht, was ich thun sollte. Von Elisabeth
war noch immer keine Nachricht eingetroffen.
Da, am 13. Dezember, einem Sonntag, besuchte ich
gegen Abend mit meiner Tochter ein Wiener Cafe auf dem
Postplatz und hatte mich bald in die dort ausliegenden
Zeitungen vertieft, während meine Tochter, die Bekannte
getroffen, sich mit ihnen unterhielt Mir war wunderbar
schwer und ahnungsvoll zu Muthe; wie das Vorgefühl
nahenden Unglücks iastete es auf meiner Seele und machte
mich unempfänglich für die heitere Unterhaltung der jungen
Mädchen. Plötzlich fielen meine Augen, wie magnetisch
angezogen, auf eine kurze Mittheilung in der „Magdeburger
Zeitung". Es wurde von dort polizeilich gemeldet, „dass
man in dem benachbarten Walde von Neuhaidensieben die
schon zum Theil in Verwesung übergegangene Leiche einer
jugendlichen Frauensperson aufgefunden habe, der Kopf
und Füsse abgehauen seien. Noch sei die Persönlichkeit
der Ermordeten nicht festgestellt, aber man glaube doch
einen Anhalt zu haben, da man in der Nähe der Leiche
das abgerissene Stück eines Hemds und ein Taschentuch
mit dem Monogramm E. K. gefunden habe.4* — Von eisigen
Schauern gerüttelt las ich es, und das Blatt entsank meinen
zitternden Händen, während ich mich vergeblich bemühte,
meine Fassung zu bewahren, denn es stand bei mir fest,
dass die Ermordete mein Kind sei, meine unglückliche
Tochter Elisabeth.
So schnell als möglich brach ich mit meiner jüngsten
Tochter auf, die mir meine Verstörtheit wohl ansah. Es
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1904/0766