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Kosseth; Nur ein Traum. 757
Und nun am Schlüsse meiner Mittheilung werfe ich
nochmals die Frage auf, die ich zu Anfang stellte: „Nur
ein Traum?"
Für Diejenigen, die es interessirt, will ich noch erwähnen
, dass bald darauf meine so lange verschwundene
Tochter Elisabeth sich meldete. Sie hatte in der That ihren
Wunsch, ins Ausland zu gehen, durchgesetzt, und da sie
auf meine Einwilligung nicht rechnen konnte, dies heimlich
zur Ausführung gebracht, nachher nicht wenig darüber bestürzt
, dass sie mich dadurch fast an den Rand des Wahnsinns
gebracht hatte!
Ich versichere hiermit auf Pflicht, Ehre und Gewissen,
dass das hier Mitgetheilte wirklich wahr und
nichts dazu erfunden ist. Etwaige Nachfragen
bei der Magdeburger Polizei werden die Richtigkeit desselben
bestätigen, wenn das Geschehene auch weit zurück
liegt. War es doch ein Kapitalverbrechen, das ja auf das Genaueste
in den Archiven der Gerichte registrirt zu werden
pflegt.
III. Abtheiliuig.
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
Was die Verbrecher träumen.*)
Der russische Dichter Dostojewskij hat in seinen „Memoiren
aus einem Todtenhaus" den unruhigen, aufgeregten
Schlummer und die seltsamen und lebhaften Träume der
Verurtheilten geschildert. Das gewöhnlichste Zeichen ist
nach ihm das Gestikuliren und Sprechen im Schlaf und in
Bezug auf den Trauminhalt „irgend etwas Unmögliches'4.
Die Unruhe, welche in ihnen die Träume zurücklassen, und
die Hoffnungen auf unmögliche Ereignisse, welche sie ihnen
vorspiegeln, erreichen manchmal fast die Höhe eines Deliriums
. Lombroso bestätigt in seinem ,,geborenen Verbrecher 4,
dass die Delinquenten viel träumen , und weist an anderer
Stelle desselben Buches auf den unruhigen Schlaf hin, den
Verbrecher nach ihrer Verurtheilung manchmal haben. E.
Ferri berichtet verschiedene Thatsachen, um die Gleich-
giltigkeit, Gefühllosigkeit und den ruhigen Schlaf des
Mörders nach der That zu beweisen, und reiht unter den
Symptomen, die den geisteskranken vom gebore«
n e n.Mörder unterscheiden, sehr richtig auch den Charakter
*) Nach dem „N. Wiener Journal" vom 17. VI1L 04. — E e d.
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