http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1904/0779
768 Psychische Studien, XXXI. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1904.)
und ich sah nichts mehr! Nur mein ganzes Leben
mit allen meinen Sünden (wer keine hat, werfe
den ersten Stein auf mich) stand vor mir, wie eine von
grellem Blitz beleuchtete Szene! Was ich da
in diesem Moment seelisch gelitten an Reue und Unzufriedenheit
mit mir selbst, war ganz furchtbar und wiegt
eine Ewigkeit in der Hölle reichlich auf. Kurz darauf war
ich wieder bei mir. Ich hatte noch gehört, wie die beiden
Aerzte sagten: es steht sehr schlimm; auch die Thatsache,
dass der zweite Arzt zugezogen wurde, hatte in mir den
Gedanken ausgelöst, dass es zu Ende sei. Körperliche
Schmerzen stellten sich erst mehrere Stunden später ein.
Nach zwei Monaten war ich ziemlich geheilt, doch laborirte
ich beinahe ein ganzes Jahr unter dem psychischen Eindruck
jenes schrecklichen Momentes, a» den ich mich nur
ungern erinnere und den ich nur deshalb zu Papier bringe,
weil ich glaube, der Wissenschaft [deren offizielle Vertreter
dieses oft bezeugte psychische Phänomen neuerdings wieder
bestreiten — Red.] hiermit einen Dienst zu leisten."
(„N. W. J.« vom 10. VII. 04.)
e) Eine merkwürdige Todesahnung erzählt
die „Augsb. Abendzeit." (Nr. 309 vom 9.',XI. er.) in
einem Bericht über die höchst bedauerlichen Vorgänge vom
3.|4. Nov. an der Universität Innsbruck. Der durch einen
Bajonettstich des italienischen ünterjägers Luigi MinoUi aus
Borgo hinterrücks gemordete junge Münchener Maler Pezzey
sendete (nach einer Mittheiiung des Universitätsprofessors
Semper) kurz vor seinem unerwarteten Tode eine Karte an
den Theatersekretär Schneider, auf die er ein von einer
Zypresse beschattetes Grabkreuz zeichnete und schrieb dazu
die Worte: Freut euch des Lebens! — Aus ganz
Tirol, so wie aus Oesterreich überhaupt und aus Deutschland
liefen Beileids- und Solidaritätskundgebungen ein. —
Einen noch eigentümlicheren Fall von unbewusster
Todesahnung berichtet die gleiche Zeitung (Nr, 316
vom 16. Nov. er.) aus Aniass des vor wenigen Tagen an
dem Pfarrer Thöbes in Heldenbergen (Hessen) begangenen
Raubmordes, dat. Hanau, 15. Nov., wie folgt: „Nach Aussage
der Haushälterin des Pfarrers, die unter dem Eindrucke
der scheusslichen That seelisch sehr zu leiden hat, weilte
sie am Freitag Abend, also einige Stunden vor der Mord-
that, bei dem Pfarrer in dessen Zimmer, wo er sein Abendgebet
verrichtete. Mitten im Beten habe der Pfarrer plötzlich
aufgehört und hastig einige Zeilen auf eine Karte
geschrieben, die er in sein Gesangbuch legte. Gestern ist
denn auch diese bezeichnete Karte beim Nachsuchen im
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1904/0779