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34 Psychische Studiea. XXXII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1905.)
Aus dem Geistesleben der Gegenwart.
Skizzen und Glossen von
Ijuriwig- Ueinhard (München).*)
Im Spätsommer des Jahres 1903 verbrachte ich in
einem kleinen, am Gestade des Tyrrhenischen Meeres gelegenen
Badeort ein paar stille, der Erholung gewidmete
Wochen. In jenen idyllischen Tagen wuide mir das Glück
zuteil, die Bekanntschaft der Dichterin Isolde Kurz zu
machen, die dort am Meeresstrand und gleichzeitig am
Fuss der wunderbaren Marmorberge von Carrara seit vielen
Jahren den Sommer verbringt, um der unerträglichen Hitze
von Florenz zu entgehen. Diesen herrlichen Badestrand
entdeckt und das kleine Fischer- und Schiffer - Städtchen
Forte dei Marmi in eine niedliche, von allen Torheiten des
fashionablen Seebades verschont bleibende Villen - Kolonie
umgewandelt zu haben, dies Verdienst gebührt dem (Ende
April dieses Jahres leider dahingeschiedenen) trefflichen
Florentiner Arzt Dr. Edgar Kurz, dem Bruder der genannten
Dichterin.**) Ihm ist es zu danken, wenn man
heute dort seinen abgehetzten äusseren Kulturmenschen ablegen
und ein reines unverfälschtes Naturleben führen
kann, worin er selbst Jahre lang mit gutem Beispiel vorangegangen
ist.
Isolde Furz stand, als mich „das Karma" mit ihr zusammenführte
, in Bezug auf alle Fragen, die mit der theo-
sophischen Geistesrichtung zusammenhängen, noch unter
dem frischen Eindruck eines kurz zuvor in Florenz gehörten
Vortrags von Frau Besaut, den diese, wie dies in Italien
gewöhnlich der Fall, m französischer Sprache gehalten
hatte. Nun ist es eine zwar auffallende, aber doch nicht
ganz wegzuläugnende Tatsache, dass die genannte grosse
Meisterin der Redekunst schon manchen Zuhörer enttäuscht
hat, der sie in Italien oder Frankreich sprechen hörte, wo
sie so rücksichtsvoll gegen ihr Auditorium ist, sich der ihr
ungewohnten französischen Sprache zu bedienen. So war es
die Einwirkung von Wärme, Licht, angenehmer psychischer Eindrucke
usw. Ein anderes Mal deckt es jene negativen, hemmenden,
an sich lebensfeindlichen und unangenehmen Einwirkungen, wie
Kälte, Hunger, Schmerz (die Peitsche auf dem Kücken des Pferdes!),
welche nur dank der Gegenwirkung des Organismus, also
mittelbar, fördernde Kräfte ms Leben rufen.
*) Erscheint zugleich in der neuen, von Dr. Rud. Steiner-Berlin
trefflich redigierten theosophischen Zeitschrift „Lucifer", auf
die wir unsere Leser aufmerksam machen möchten. —Red.
**) Vergl. „Psych. Stud." 04, Okt.-Heft S. 639 ff. -Red.
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