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Reich: Gedanken Über die geheimen Wissenschaften.
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§ 3.
In der Staatsgesellschaft des Tantum -quantum ringt
die grössere Hälfte der Menschheit auf Leben und Tod um
den Bisaen Brotes. Alle Welt stürzt sich da, hungrigen
Wölfen gleich und von der Not des Augenblicks getrieben,
auf Gebiete dunklerer Art, um des Lebens Notdurft möglichst
rasch, genügend und sicher zu erwerben. Daher
hier die ungeheure Menge von Schwindel, Betrug, Gaunerei,
und damit die Verderbung der Wissenschaft. Auf der
anderen Seite zwingt der alberne Despotismus der Halbgebildeten
und Wohlhabenden, welcher für sein Geld alles
rund, abgeschlossen und vollkommen haben will, zu dessen
genauer Ermittelung noch Jahrhunderte gehören, die Mag-
netisten, Hypnotisten, Somnambulen, Astrologen, die Bruchstücke
wahren Schauens durch dichterische Erfindung zu
ergänzen und dadurch zu Betrügern zu werden.
Der gewissenhafte Forscher auf dem Felde der geheimen
Wissenschaiten hat jedenfalls eine schwere Arbeit,
indem er, um Goldkörner zu finden, genötigt ist, Berge
Sandes hinwegzuräumen und den Andrang der hungrigen
Wölfe und verschmitzten Gauner abzuwehren. Es treten
auf keinem Gebiete so viel Unberufene, Unverschämte, Unwissende
auf, als innerhalb der Rennbahn des Magnetismus,
des Somnambulismus, der Astrologie. Die Zeitschriften
und Bücher dieser Quacksalber enthalten hier und da etwas
Gutes, sind jedoch zum grössten Teil mit so viel „Geheimwissenschaft44
belastet, dass dem kundigen Leser der Atem
ausgeht und — der Janhagel in Anbetung versinkt
Tatsachen solcher Art bestimmen Halbwissende, von
Vorurteil und Hochmut erfüllte Gelehrte, den Stab zu
brechen über die sogenannten geheimen Wissenschaften und
den Förderern derselben vom echten Schlage der Forscher
nicht bloss die Freundschaft zu entziehen, sondern auch
die Achtung. Nun, der Mensch höherer Artung, welcher
treu die Wahrheit zu ermitteln sucht und es ehrlich meint
mit Erkenntnis, Humanität, Wissenschaft, lässt durch
Albernheit sich nicht beirren und verzeiht zuletzt auch den
peinlichen Ausdruck des Mangels an Erziehung, Takt und
Lebensart.
Mit Hilfe von Menschenkenntnis, sowie gesundem Instinkt
spürend, gelingt es, ehrliche Menschen zu finden,
welche die zu okkultistischer, also eigentlich psychologischer
Erforschung notwendigen Eigenschaften, überdies auch Ehrlichkeit
, Redlichkeit, Wahrheitsliebe geradezu reichlich besitzen
. Mit diesen Personen angestellte Versuche und
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