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44 Psychische Studien. XXXII. Jahrg. 1. Heft, (Januar 1905.)
vielleicht unbewusstes Gefühl beherrschen lassen. Habe
ich mich getäuscht — und er allein kann das wissen —, so
bitte ich ihn aufrichtig um Verzeihung; sollte ich mich
aber auch nur halbwegs nicht getäuscht haben, so bedarf
es meinerseits keiner weiteren Entschuldigungen. Dies soll
von meiner Seite das letzte Wort über diesen nun erledigten
kleinen Zwischenfall sein. —
Die Redaktion hatte mich freundlichst aufgefordert,
mich Ihren Lesern gegenüber des Näheren über die hinsichtlich
der Nachforschungen über sog. psychische Probleme
zu befolgende Methode auszusprechen. Es ist dies ein vieles
umfassender Gegenstand, der eine eingehendere Behandlung
durch intelligentere Köpfe verdienen würde. Gestatten Sie
mir jedoch für heute ein Wort über die allzu grosse Leichtigkeit
, um nicht zu sagen Leichtfertigkeit, zu äussern, womit
die spiritistische Presse Berichte über Tatsachen aufnimmt
, die nicht unter genügender Kontrolle beobachtet
wurden.
Vorausschicken will ich, dass nichts von dem, v/as ich
vorbringen werde, speziell auf deutsche Verhältnisse gemünzt
ist. Ich habe niemals in Ihrem Vaterland gelebt
und ich bedaure das, denn niemand hegt wohl für die Tiefe
des deutschen Denkens eine grössere Bewunderung, als die
meinige ist. Und sicher, wenn es mir die Verhältnisse einmal
erlauben sollten, so würden mich törichte Missverständnisse
oder Verstimmungen politischer Art niemals daran
hindern, den Fuss über den Rhein zu setzen. -
Um nun mit meinem Thema zu beginnen, lassen Sie
mich zunächst gegen solche Gläubige protestieren, die mich
als Feind ihres Glaubens betrachten könnten. Ich bin
zwar kein angenehmer, aber, wie ich glaube, ein nützlicher
Freund. Wer endlich einmal wie ein neuer Kolumbus auf
die Entdeckung, der menschlichen Seele ausgefahren ist,
der darf sich nicht über den Mann auf dem Ausguck
ärgern, der von der Höhe seines Mastkorbs aus rechtzeitig
eine Klippe signalisiert.
Alle Augenblicke hört man überall die Spiritisten sich
über die Gleichmütigkeit des Publikums und insbesondere
des akademisch gebildeten Publikums ihnen gegenüber beklagen
, wobei sie gerne von feindseliger Gehässigkeit sprechen
und sich als Opfer eines beispiellosen Ostrazismus zu betrachten
pflegen. Sie vergessen aber dabei nur allzuleicht
eine bekanute psychologische Wahrheit: jeder Mensch lebt
wie eingemauert in eine Festung, mehr oder weniger verrannt
in eine einzige, ihn fast ausschliesslich beherrschende
Idee, und sieht die äussere Welt, also in unserem Fall die
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