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76 Psychische Studien. XXXII. Jahr& 2. Heft. (Februar 1905.)
aus Afrika 1315, Erfinder der „Ars magna Lulli", die eine
übersichtliehe Erkenntnis durch schematische Anordnung
der Begriffe mittels Buchstaben und geometrischer Figuren
versuchte), hinterliess in seinem Testament folgendes Rezept:
„Nimm Mondsaft, und ziehe bei gelindem Feuer einen
Schweiss aus, da hast du eins von unsern lebendigen Silbern
in deiner Hand, in flüssigem Zustande und in Gestalt eines
weissen Wassers. Das ist die Waschung und Reinigung
unseres Steins und seiner ganzen Natur, und ist eines von
unseren Geheimnissen und die erste Pforte. In dieser
Flüssigkeit wird rektifiziert der grosse Drache und er wird
so herausgeführt aus der grossen arabischen Wüste, weil er
sonst vor Durst ersticken würde uud unterginge im toten
Meere. Wende ihn selbst um und wirf ihn ins äthiopische
Reich, woher er von Natur stammt, weil wir sagen, dass,
wenn er nicht in seine Erde zurückgesetzt wird, er zurückgehen
und eine andere Region betreten wird. Sei sicher,
dass jedes andere Klima und jede andere Gegend unserem
Stein den Tod hringt." Diese Sätze sind fast durchweg
unklar, wenn auch bei „Moadsaft" der Gedanke an eine
Silberlösung nahe liegt, weil man Silber mit dem Namen
des Mondes bezeichnete (Luna, Diana = ehem. Ag.^
Die Alchemie hörte nun auf, eine Wissenschaft zu sein,
sie verbreitete sich aber über alle Stände und mancher
arme Tropf bemühte sich zeitlebens vergeblich, Gold zu
mact en. Das Verbot der Alchemie durch Papst Inno-
cenz XXII. nützte nichts, ebenso wenig die Verbote mancher
Fürsten. Zwanzig Jahre nach Heinrichs IV. Verbote
forderte sogar Heinrich Vf. von England die Gelehrten
auf, sich der alchemistischen Kunst zu widmen, damit ein
Mittel gefunden werde, die durch die Kriege arg geleerte
Staatskasse wieder zu füllen. Auch viele andere Fürsten
befassen sich eingehend mit der Alchemie, vor allen Kaiser
Rudolf II., der einige Klumpen künstliches Gold höchsteigenhändig
hergestellt haben sollte. Ks kam schliesslich zu
einem Herum probieren mit allen möglichen, zum Teil ekelhaftesten
Stoffen, die aber wieder fruchtbare Entdeckungen
brachten, so die Darslellung des Phosphors durch den
Hamburger Kaufmann Brandt (al. Brand), der 1677 bei
dem Bemühen, seinem Vermögen durch alchemistische
Arbeiten aufzuhelfen, im Harn zufällig Phosphor fand;
des Meissner Porzellans durch Joh. Friedrich Bettger (geb
1682 in Schleiz, 1710 Direktor der dortigen Porzellanfabrik,
gest. 1719 zu Dresden) usw. Der Verkehr der Alchemisten
unter sich und ihre Reisen führten dann zum Auftauchen
jener Hochstapler, die, wenn sie nicht schnell genug die
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