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92 Psychische Studien. XXX1L Jahrg. 2. Hett. (Februar 1905.)
nach solchen an sich schädlichen und daher bei grösserer
Gewalt das Leben zerstörenden Einwirkungen gleichwohl
schliesslich neue, das Leben fördernde organische
Kräfte einfinden. Diese können sich darin bekunden
, dass entweder a) früher bestehende krankhafte
Prozesse von innen heraus überwunden werden; oder b)
eine ganz neue Steigerung gewisser Kräfte erscheint, die
sich in den betreffenden Individuen bisher noch nicht vorfand
; oder c) beides zugleich eintritt.
a) Chirurgische Eingriffe, die ein abnormes Gebilde
einfach und absichtlich entfernen, gehören nicht oder nur
zum Teil hierher. Hingegen kennt man Operationen, die
an sich nichts als ein gewaltsames Trennen und Beschädigen
der Gewebe sind, deren grober Reiz aber von Seiten
der schlummernden Naturheilkraft durch höchst zweckmässige
Wirkungen beantwortet wird, infolge deren gewisse
krankhafte Störungen, zu denen die Operation in keinerlei
direkter Beziehung steht, spontan schwinden.
So hat man in neuerer Zeit die Erfahrung gemacht,
dass eine einfache Oeffnung der Bauchhöhle eine tuberkulöse
Bauchfellentzündung zu heilen vermag. Ferner haben
Operationen, welche gegen irgendwelche chirurgisch zu beseitigende
Uebel an Epileptikern vorgenommen wurden,
zugleich ein Aussetzen, ja mitunter sogar ein Verschwinden
der Fallsucht zur Folge (Kümmel). Die
Montenegriner gebrauchen die Trepanation als Mittel gegen
habituelle Kopfschmerzen, und der Erfolg ist offenbar nicht
durch den dabei stattfindenden Blutverlust allein zu erklären
. Auch andere äusserliche Verletzungen können
günstige Folgen für den Gesamtorganismus haben. So
kennt man Beispiele, wo Irre, die an veralteten Geistes
richte über supernormale Vorgänge sende ich nicht mehr ein, da
ich nur noch über „geistige Erleb nisse" berichten könnte,
die von den meisten Menschen, wie von der öchulwissenschaft, mit
blossen „Träumen" zusammengeworfen werden, von denen sie sich
jedoch, wie jeder, der es schon selbst erlebt hat, genau weiss, ebenso
wie von den sog. ^Halluzinationen", die überall herhalten müssen, wo
die „Wissenschaft" am Ende ihres Lateins angekommen ist, sehr
wesentlich unterscheiden. Vielerlei, worüber ich in diesen Blättern
berichtete, ist überhaupt wohl nur aus der ausserordentlichen
Lichtempfindiichkeit meiner Augen zu erklären
, die trotz grosser Sehschärfe anders sind als die Augen vieler
anderer Menschen — rot im Dunkeln ; auch gerate ich unter Lampenlicht
aus gewisser Höhe fast in Hypnose. E" — Die Würdigung
dieser wichtigen Aufschlüsse überlassen wir den auf beiden Gebieten
— dem neuropathischen und dem supernormalen — erfahrenen
Fachmännern. - Red.
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