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v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre etc. 99
dabei von so grosser Wichtigkeit, dass man sich fragen
muss: wie soll denn nun das Ganze lediglich den Sonnenstrahlen
entnommen sein? oder kann man etwa die Schwerkraft
der Erde, die in allen auf unserem Planeten sich
abspielenden Vorgängen eine so grosse Rolle spielt, als
eine Kraft betrachten, die ihr von der Sonne geliefert
wird ? Ferner hat ja auch die Anziehungskraft des
Mondes auf der Erde ein Wort mitzusprechen, wahrscheinlich
auch die der übrigen Planeten. Kurz schon diese
Beispiele illustrieren uns zur Genüge, wie übereilt so manches
in jenen summarischen Behauptungen und Spekulationen
ist, die seit der Aufstellung des Krafterhaltungsgesetzes in
Umlauf kamen und Jahrzehnte hindurch in unzähligen
Büchern wiederholt werden sollten.
Zum Schluss dieses Abschnitts kommen wir zu folgenden
Endergebnissen:
1) Nicht nur im Reiche des Lebendigen gibt es keine
Konstanz der aktiven fertigen Kräfte, sondern selbst in
der unbelebten Natur zeigt sich eine stetige Zunahme von
aktiver Energie, die auf Umwandlung immer neuer Nachschübe
der den Stoffen innewohnenden, quantitativ unerschöpflichen
, latenten Kräfte beruht.
2) Es gibt keinen Parallelismus von Stoff und Kraft;
der erstere nimmt nicht zu, die aus ihm heraus wirkenden
lebendigen Kräfte hingegen sind in stetem Wachstum begriffen
, und darin besteht eben der Weltprozess.*)
3) Der letzte Grund aller zur Erscheinuug kommenden
Kraftwirkungen (deren „Ding an sich", würde Kant sagen)
bleibt unerforschlich.
4) Das einzige, aber wirkliche „Perpetuum mobile" im
Weltall ist das Weltall selbst.
(Fortsetzung folgt.)
*} Dass jedoch dieses Wachstum nicht geradläufig, sondern
»piralförmig vorzustellen ist, hat Verf. an anderen Btelien
seiner tiefgründenden Arbeiten genügend betont. Zum Sinnbild
einer teilweise wieder rückläufigen, aber in regelmässigen Windungen
doch immer höher aufsteigenden Fortschrittslinie der Kulturbewegung
(also auch der geistigen Kraftsumme) im Weltall gelangten
unter andern Forschern schon früher C. Radenhausen in seinen (etwas
weitschweifig und leider ohne Angabe seines Quellenmaterials angelegten
) Werken „Isis" (4 Bände) und „Osiris" (8 Bände, Hamburg
1870 72), sowie namentlich der edle, zeitlebens im eigenen Vaterland
schmählich verkannte, heutzutage aber besonders von den spanischen
Denkern hochgeschätzte, schon durch die glückliche Verdeutschung
der technischen Ausdrücke bedeutsame freimaurerische Philosoph
K. Chr. tr. Kraute. (Vgl. firiedr. Mahr. Ethische Probleme. Frankfurt
a. M. 1892. S. 73 ff.) — Red.
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