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100 Psychische Studien. XXXIL Jahrg 2 Heft. (Februar 1905.)
Gedanken Uber die geheimen Wissenschaften.
Von Dr. med. Kdnard Reich zu Nieuport-Bains in
Belgien.
(^chluss von Seite 43 )
§ 5.
Zum Verständnis des innigen Zusammenhanges der
offenbaren und der geheimen Wissenschaften gehören Feinheit
der Seele, best auskrystallisierte Persönlichkeit, sensitive
Organisation, kräftigste Beherrschung des eigenen
Selbst und eine gesamte Lebensweise, die strenge den Anforderungen
der Hygieine, Vernunft und Religion entspricht,
ünter solchen Voraussetzungen nur ist es möglich, über die
plumpen, groben Satzungen geistloser materialistischer
Schulen sich empor zu schwingen und auf den Weg der
Wahrheit zu gelangen. Es ist dann nicht mehr die Rede
von Leugnung, wie andererseits Verspottung der geheimen
Wissenschaften, sondern die Bede von deren Anerkennung
und kräftigen Förderung, auch seitens derjenigen, welche
früher Verächter und Verfolger derselben waren.
Der im besten Sinne des Wortes sensitive Mensch
höherer Ausgestaltung und wesentlicher Bildung vermag es,
Erscheinungen wahrzunehmen, welche dem grob organisierten
, über den gewöhnlichen Leisten Gebildeten, normwidrig
Lebenden zumeist vollkommen entgehen. Daher so
häufig die platte Behauptung, dass nichts Okkultes existieren
könne, weil der betreffende dickhäutige Professor ausser
Stande ist, dasselbe wahrzunehmen und daher alle diejenigen
, welche es wahrnehmen, für Tölpel oder Gauner hält.
Es bürgt die Tatsache des Forschritts der Verfeinerung
von Seelen und Organisationen dafür, dass die geheimen
Wissenschaften immer mehr und mehr Eingang finden
werden und müssen in den Kreisen der Gelehrten, bei
Forschern und Denkern, ja dass auch diejenigen Aerzte,
welche teils aus angeborener Grobheit, teils aus anerzogenem
Materialismus den okkulten Wissenschaften so feindselig
sich gegenüber stellten, allmählich zu besserer Einsicht gelangen
werden. In der Tat, die Menge der Gelehrten und
Arzneikundigen, welche für den Okkultismus guter Art
wirkliches Interesse pflegen, nimmt merkbar zu.
§ 6-
Es ist behauptet worden, Astrologie sei purer Schwindel
und müsse bekämpft werden. Schon von vorneherein ist
man berechtigt, eine solche Aufstellung Torheit zu nennen;
denn die Erscheinungen des Sternenhimmels können unmög-
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