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144 Psychische Studien. XXXII. Jahrg. 3. Heft. (März 1905.)
wie am Tage, die Personen schienen mir wie wirkliehe«
u* s. w. Von einigen Kindern, welche gewöhnlich sehr lebhaft
träumen, behaupten die Eltern, dass sie beim Erwachen
fragten, ob die Personen, welche sie gesehen hatten, wirklich
existierten. Bei einem Drittel sind die Traume im allgemeinen
farblos, Mass und wenig lebhaft, aber bei allen
untersuchten Kindern wurde das Traumleben unter dem
Einfluss besonderer Umstände ein intensiveres, zum Beispiel
während fieberhafter Erkrankungen, oder wenn Besuch im
Hause, oder nach Vergnügungen, oder bei Wohnungswechsel
und dergleichen. Die Lebhaftigkeit der Träume steht bei
den Kindern nicht in direktem Verhältnis zum Alter oder
zur Intelligenz. Doch ist zu bemerken, dass bei minder
begabten Kindern die Traumvorgänge wenig ausgesprochen
waren, während hingegen Kinder mit lebhaftem und expansivem
Temperament allerdings lebhaft zu träumen pflegen;
die ümkehrung lässt sich aber nicht behaupten.
Fast die Hälfte der untersuchten Kinder gab an,
schreckhafte Träume zu haben, keines jedoch war mit dem
sogenannten nächtlichen Aufschrecken behaftet, das eine
ausgesprochene krankhafte Erscheinung ist. Die schreckhaften
Träume sind nur in einer kleinen Minderzahl die
einzigen, an welche sich die Kinder erinnern und über
welche sie berichten können. Die Mehrzahl behauptete,
dass sie in der Nacht meistens von den Beschäftigungen
des Tages und von den Personen, mit denen sie am Tage
verkehren u. s. w. in ganz indifferenter Weis% träumen, dass
sie nur von Zeit zu Zeit, zwei- bis viermal in der Woche,
einen schreckhaften Traum haben, demzufolge sie plötzlich
aufwachen oder wenigstens unruhig schlafen. Frägt man
genauer nach, was sie in solchem Falle erleben, so erhält
man nur unbestimmte Antworten oder höchstens, dass sie
von verstorbenen Personen träumen, oder von Haus- oder
wilden Tieren, über welch letztere sie von älteren hatten
sprechen hören oder die sie in Büchern abgebildet gesehen,
oder von teufelähnlichen Gestalten, von Unglücksfällen,
Krankheiten, Gelahr, Schüssen, von Drohungen, Verletzungen
, Verfolgungen u. s. w. Verstorbene bilden namentlich
bei den 8- bis 13jährigen Kindern am häufigsten den
Gegenstand der Träume.
Die Furcht ist ja ein Charakteristikum des Kindesalters
und es erscheint daher natürlich, dass sie auch im
Traume desselben oft vorkommt. Nur ein einziges Mädchen
von acht Jahren behauptete, sich im Traume immer zu
belustigen, es erlebe immer Spiele und Spaziergänge. Die
übrigen machten im Traume nur die Ereignisse ihres ge-
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