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154 Psychische Studien. XXXII. Jahrg. 3. Heft. (März 1905.)
Kräfte der Seele im Alter schwinden. Doch können die
hierher gehörenden Tatsachen als keine ernstliche Stütze
des Materialismus gelten, wie ich schon in einem früheren
Kapitel dargetan habe. Immerhin haben wir schon an
den obigen Tatsachen genug, und es ist also keine Denkwillkür
, kein Aberwitz, sondern eine in vielen Hinsichten
berechtigte Argumentation, wenn die Mehrzahl der in den
biologischen Wissenschaften bewanderten Forscher als Endergebnis
ihrer Untersuchungen folgende Sätze aufstellt:
1. Die Seele hat keine selbständige Existenz; was man
unter diesen Worten versteht, ist lediglich die Tätigkeits-
äusserung oder die Punktion des Gehirns, ganz so, wie
z. B. Atmung die Funktion der Lungen, Verdauung die
des Magens, Kontraktionsbewegung die der Muskeln, Ab«
sonderung von Sekreten die der Drüsen usw. ist.
2. Die Seele ist keine Substanz und kein Unteilbares,
sondern ein Kollektivbegriff für die Tätigkeitsäusserungen
der verschiedenen, so unendlich, komplizierten Teile des Gehirns
, und zwar versteht man dabei unter jenem speziellen
und höheren Gebiete der Seele, welches man „Geist44 nennt,
speziell die Tätigkeit der grauen Substanz,
3. Wie es uns nicht einfällt, noch nach einer besonderen
„Uhrenseelea oder nach einer Magen-, Lungen-, Herz-,
Drüsen-seele zu fragen, sobald die betreffende Uhr oder
der Magen, die Lungen, das Herz, die Drüse usw. zerstört
und dadurch ihre Tätigkeit eingestellt ist, so drängt uns
der physiologische Analogieschluss, auch die „Seele44 nach
Zerstörung des Gehirns als nicht mehr existierend anzunehmen
.
(Fortsetzung folgt.)
Ueber die Möglichkeit eines einwandfreien
Identitätsbeweises.
Von Assessor M. K. in S.*)
Unter den spiritistischen Phänomenen nehmen die
physikalischen, als völlig in unser Beobachtungsgebiet
fallend, eine besonders hohe Stellung ein; insofern, als
durch sie bleibende Veränderungen an der Materie unter
bestimmten Voraussetzungen bewirkt werden, ermöglichen
sie eine stete sachliche Nachprüfung. Um sie zum völligen
Eigentum der Wissenschaft zu machen, müsste es möglich
*) Vgl. die früheren Beiträge des scharfsinnigen Herrn Verf.
1903, S. 767 ff. und 1904 S. 272 ff. — Ked,
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