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166 Psychische Studien. XXXII. Jahrg. 3. Hett. (Mär» 1905.)
schon in der Sphinx (Bd. XVII, Dez. 1893, p. 473) eine
Besprechung dieses Gedichtes veröffentlicht, der die folgenden
Stellen entnommen sind:
Das genannte Gedicht ist betitelt: „Das eherne Messer".
Der Dichter erzählt darin, wie er einst in jungen Jahren
mit Freunden den Böhmerwald durchstreift, den er vorher
nie gesehen habe. Sie kommen in eine Höhle und entdecken
darin alte Kohlen, auf einem niederen Herd liegend.
Die Freunde wollen fort, dem jungen IL aber „fährt es wie
ein flackernd Licht durch das Gedächtnis**, hier müsse er,
obwohl er den Ort nie zuvor geschaut, einst etwas verloren
haben, und richtig findet er nach einigem Wühlen in
Schutt und Kohle zur allgemeinen Freude ein bronzenes
Heidenmesser.
Der Tag ist schwül, die Anstrengungen des Marsches
machen sich beim jungen H. bemerkbar: er legt sich beglückt
über seinen Fund ins Heidekraut und schlummert
ein. Im Traum sieht er sich wieder in jener Höhle, doch
nun als nacktes Kind. Neben sich am Herd gewahrt er
ein mit Ziegenfellen bedecktes junges Weib, das sich zu
einem fremden jungen Mann beugt, der eine Steinaxt in
in den Händen hält. Die zwei flüstern vertraulich zusammen
, dann enteilt der Mann der Höhle. Gleich darauf
Geschrei und Toben aussen und:
„Ein Kiesenschatten drängt sich vor die Höhle —
Zwei Augen glühen - es zischt aus rauher Kehle:
Verrät'rin! Deinen Buhlen traf ich gut!
Im Bergwald wälzt er sich in seinem Blut/!
Nun folg' ihm nach samt deiner falschen Brut!"
Mit diesen Worten stösst der Wütende dem jungen
Weibe das Messer in den Leib.
„Dann fasst er mich — wie Eisen ist die Hand —
Er drückt mich grimmig an die Felsenwand —
Die Todesangst erpresst mir einen Schrei,
Und dann —"
Hier bricht der grause Spuk ab. — Der junge H. ist
erwacht und wird von den Kameraden wegen seines
Schmerzgestöhns im Schlafe tüchtig ausgelacht. Sie
richten den von kaltem Schweiss Bedeckten auf: „Ach —
sagt dieser lächelnd —
„verzeiht, ihr zwei!
loa Waldmoos träumt man eben mancherlei.
Doch sagt: Ist's möglich, dass dreitausend Jahre
Vom Ahn zum Enkel manchmal wunderbare
Erinnerung an Vergangenes sich spinnt?
Lang bleibt sie ungedacht; — und dann gewinnt
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