http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1905/0187
Jung: Ueber spiritistische Erscheinungen.
177
gemacht und aus dem Aufschlagen der Tischbeine während
des Herumtanzens, sowie aus sonstigen Klopfgeräuschen,
die sich während des Vorganges ergaben, wollten die beteiligten
Personen Kundgebungen von Geistern Verstorbener
erblicken.
An dieser Stelle tat der Herr Vortragende einer gewissen
Verwandtschaft Erwähnung, welche zwischen den Bewegungen
des tanzenden Tisches und denen der zum Wasseraufsuchen
benutzten Wünschelrute liegen solle. Der berühmte Geologe
Professor Heim habe kürzlich in der naturforschenden Gesellschaft
darüber gesprochen, auch publizistisch sich darüber
ausgelassen in einer Abhandlung, die ein wahres
Muster naturwissenschaftlicher Beobachtung sei, und daraus
gehe hervor, dass doch etwas an der Wünschelrute sei;
wenngleich nur bedingungsweise gültig, habe sie sich doch der
geologischen Theorie als überlegen in bezug auf Nachweis
unterirdischer Wasserläufe erwiesen. Auch für das Tischrücken
gab Dr. Jung eine Art Vorgeschichte und las z. B.
aus Arnmianus Marcellinus eine Geschichte vor, die im Jahre
371 nach Christus passiert ist, nach welcher verschiedene
Personen die Zukunft dadurch ergründet hatten, dass sie
über einer am Rande mit Buchstaben bezeichneten Schale
einen aufgehängten Ring schwingen Hessen, welcher durch
Berühren der Buchstaben Hexameter von prophetischem
Sinn zusammensetzte, ein Verfahren freilich, das ihnen
den Tod durch Henkershand zuzog.
Auf einen wichtigen Punkt seines Themas gelangte der
Herr Vortragende, indem er erklärte, dass zu den meisten
Experimenten spiritistischer Natur eine „sensitive" Person
erforderlich sei; von solchen sind zwei Arten zu unterscheiden
: a) solche, welche „hell" sehen in Raum und Zeit,
b) solche, welche Visionen von Geistern haben, meist von
Geistern der Verstorbenen, Diese Personen sind ausgezeichnet
durch eine Reihe medizinischer und psychologischer
Merkmale. Auf diesem Gebiete sind sogar die meisten
Fachmänner (Aerzte) nicht genügend zu Haus, höchstens
einige Psychiater haben eingehendere Studien darüber gemacht
. Hier folgten im Vortrage Mitteilungen über einzelne
bestimmte Individuen, die der Kategorie der sensitiven
Personen angehört haben. Wir können hierin den Ausführungen
leider ins Detail nicht folgen, wohl aber muss die Bemerkung
wiedergegeben werden, dass zu diesen Personen,
die man früher sensitive nannte und heutzutage Medien
nennen würde, auch die Propheten des alten Testaments
gerechnet werden müssten. „Geistig krank ist nur ein
Grenzbegriff. Ein Irrenhaus ist sozusagen die Quintesssenz
Psychische Studien. März 1905. 12
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1905/0187