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v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre eto. 219
in welchen die Hirnmoleküle und die in sie* hineinragenden
Aethermoleküle erzittern, machen zu können: aber so viel
sind wir berechtigt anzunehmen, dass es sich hier um über-
aus komplizierte, hochintensive und rapide Schwingungssysteme
handeln muss, die den elektrischen zwar verwandt,
doch eigenartigund wahrscheinlich höherer Natur, bezw. Potenz
und den gewöhnlichen Licht- und Elektrizitätsschwingungen
überlegen sind. Abgesehen von vielfachen physiologischen
Untersuchungen, welche für die Existenz eines Nerven-
stroms zeugen, sind uns in der letzten Zeit (Baraduc, Pogor-
jelskij u. a.) hochinteressante (wenn auch noch nicht genügend
erklärte, geschweige von der Schulwissenschaft anerkannte
) Beweise dafür erbracht worden, dass eine gewisse
Kraft, die schon längst unter dem Namen des „tierischen
Magnetismus" vorausgesetzt wurde, wirklich kein Hirngespinst
ist; denn sie wirkt auf die photographische Platte
und überdies können ihre leuchtenden Ausströmungen unter
gewissen Umständen wahrgenommen werden.
Wir wissen nun zwar des Näheren nicht, wie sich dergleichen
Kräfte zum Fühlen, Wollen und Denken verhalten.
Zugleich aber müssen wir schliessen, dass, sobald es irgendwo
zu sinnlich wahrnehmbaren Kraftsystemen kommt, sofort
auch psychische Regungen in die Erscheinung treten.
So kommen wir zu folgendem Endresultat unserer Betrachtung
jener einander entsprechenden Vorgänge: Es gibt,
wie genugsam bekannt sein dürfte, drei Anschauungen über
die Seele: - die materialistische, welche das Geistige
für ein „Produkt" des Stofflichen hält und dabei übersieht,
dass gerade das Bewusstsein ein Primäres, die Existenz
des Stofflichen hingegen erst sekundär, daraus gefolgert,
d. h. als geistige Vorstellung erkannt wird; dass
ferner die Betrachtung des Geistigen als eines „Produktes"
des durchaus heterogenen Stofflichen — gar keine Erklärung
, vielmehr bloss ein „Asylum ignorantiae", bezw.
ein „Testimonium paupertatis" der auf erkenntnistheoretischem
Gebiet noch in den Kinderschuhen steckenden Materialisten
ist.
Die rein spiritualistische oder dualistisch
e Theorie nimmt an, dass, da zwischen Materiellem und
Psychischem eine für ewig unüberbrückbare Kluft bestehe,
letzteres eine selbständige Substanz sein müsse. Der
Dualismus seinerseits übersieht jedoch dabei, dass dieses
Psychische nie und nirgends anders, als in Begleitung von
Stofflichem beobachtet wird, dass ferner eine Wechselwirkung
zweier durchaus („toto genere") verschiedener
und unabhängiger Prinzipe (bezw. „disparater" Merkmale
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