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Häring: Das Verständnis der Bibel in der Entwickl der Menschheit. 237
Knechtung empfunden, wie einen Götzen, dem man abergläubische
Verehrung zollen muss: nicht nach dem Sinne
dieses Buchs, sondern aus frommem und unfrommem Missverstand
. Die Bequemlichkeit hat nie die Zukunft für sich
gehabt und Er, welcher der persönliche Mittelpunkt dieses
GHaubens ist, hat nicht gesagt: „ich bin die Gewohnheit",
sondern „ich bin die Wahrheit und das Leben". Für die
Untersuchung der Bibel gibt es keine anderen
Massstäbe, als für irgend eine andere
Schrift. Ihr Inhalt muss sie ausweisen, wenn sie etwas
Besonderes ist; diesen Inhalt gilt es immer voller und
reiner von allem Zufälligen, Vergänglichen zu erforschen.
Und gilt in erster Linie diese Forderung ihren Freunden
und Verehrern in der ühristenheit, so doch auch
den Verächtern, die nur ein Auge für das Vergängliche
haben; vor dem Wirklichen sollen auch sie stille stehen,
selbst wenn es über ihre mitgebrachten Begriffe hinausgeht
und ihnen eine neue Welt erschliesst." — Soweit der Festredner
. Wie lange werden wohl die geistlichen Konsistorien
der evangelischen Landeskirchen Deutschlands angesichts
solchen Freimuts der erleuchtetsten Theologielehrer an den
Universitäten es noch verantworten können, bezw. uneinge-
denk der herrlichen Worte Jesu: „Der Buchstabe tötet,
der Geist macht lebendig" für ihre Pflicht halten, von ihren
Pastoren den orthodoxen Glauben an das apostolische Sym-
boium und an den Wortlaut aller jener dem Urchristentum
mehr oder weniger fremden Dogmen ais Bedingung zur beruflichen
Anstellung zu verlangen und in folgerichtiger
Konsequenz dieses falschen und überlebten Standpunkts
früherer Jahrhunderte diejenigen Pfarrer abzusetzen, die
ehrlich und wahrheitsliebend genug sind, in ihrer späteren
amtlichen Tätigkeit auch ihrer Gemeinde gegenüber offen
zu bekennen, was sie auf der Hochschule bei den zu ihrer
wissenschaftlichen Belehrung und ihrer praktischen Vorschulung
vom Staate angestellten Professoren gelernt haben ?
Okkultismus auf der lltiline.
Von Dr. M. Wernekke.
Ein zur Verbreitung theosophischer Lehren bestimmtes
Bühnenstück*) ist vor kurzem in Graz erschienen. Wer
einigermassen mit neuer okkultistischer Literatur bekannt
ist, wird aus diesem Wohnorte die Person des Verfassers,
*) Im WunderJaode der Lotosblume- Lehrdrama mit Musik in
einem Vorspiele, vier Bildern und einem Nachspiele. Von Kama
Deva. Graz IV*05. Verlag von Paul Cieslar.
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