http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1905/0260
248 Psychische Studien. XXXII. Jahrg. 4. Heft. (April 1905.)
haftesten Träume werden rasch vergessen. Es wird ganz
allgemein angenommen, dass die Träume mit gewissen
körperlichen Zuständen in Beziehung stehen. Wenn nun
diese Zustände einem periodischen Auftreten unterworfen
sind, so würde es nicht weiter wunderbar sein, wenn auch
die Träume unter ein gleiches Gesetz der Periodizität
fielen. Auch dann aber würde ihr Studium noch recht
schwierig sein. Ein deutscher Arzt, der als exakter Forscher
einen bedeutenden Ruf geniesst, hat einmal berichtet,
wie er mit einem Fachgenossen eine besondere Untersuchung
über das wiederholte Auftreten von Träumen vorgenommen
habe. Das Ergebnis dieser Forschungen besagte
, dass ein allgemeines Gesetz für die Erscheinung,
bezw. Wiedererscheinung von Träumen nicht gefunden werden
kann. Es würde schwer und auch überflüssig sein zu
bestreiten, dass ahnende und warnende Träume
früher vorgekommen sind. Von der Bibel bis zu den
Märchenbüchern spielen die Träume eine grosse und oft
entscheidende Rolle, und viele Menschen haben daran geglaubt
, dass sich ihnen im Traum erst eigentlich die Wahr-
heit offenbare und dass sie demnach träumend heller sähen
als wachend. Im Zeitalter der Naturwissenschaft ist man
von derartigen Anschauungen stark zurückgekommen und
will von Traumahnungen nicht mehr viel wissen. So verführerisch
es sein mag, auf dem begonnenen Weg statistischer
Traumforschungen weiter zu gehen, so wird sich die
Naturwissenschaft von den Ergebnissen derartiger Untersuchungen
nicht viel versprechen. Nach den berühmten
Worten des /?. Wagnerischen Hans Sachs ist das Dichten eitel
Traumdeuterei, und in der Poesie wird der Traum immer
seine Domäne haben. Die Wissenschaft aber steht vorläufig
auf dem bescheidenen Standpunkt, ihm mit ihren
Mitteln nicht beikommen zu können. (Tägl. Unt.-Beil. der
„Deutschen Tageszeit." Nr. 52 vom 2 ./III« er.)
LiteraturbericM.
A. Bücherbesprechungen.
Du PreFs „Der Tod und das Jenseits" ins Französische übersetzt. —
Es wird unsere Leser freuen, zu hören, dass die letzte, besonders
leicht verständliche Schrift unseres grossen Vorkämpfers
Carl du Prel neuerdings auch den Franzosen zugänglich geworden
ist durch eine vortreffliche Uebersetzung von Jg. Haemmerle (im Verlage
Chaeornac, Paris.) Dieses kleine Meisterwerk, das Du Prel in
dem Jahre vor seinem Tode (1898) schrieb, fasst gleichsam das Ergebnis
seiner ganzen Lebensarbeit wie in einem Testament zusammen
, das er allen kommenden Geschlechtern hinterlassen hat.
Es ist deshalb geeignet, leicht in seine Weltanschauung einzuführen
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1905/0260