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v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre ete. 275
an der Zeit zu zeigen, dass nicht bloss jene allgemeinen
Gründe, die in früheren Kapiteln weitläufig auseinandergesetzt
wurden, die kahle Verneinung verdächtig machen:
— die streng wissenschaftliche Forschung selbst in ihren
würdigsten Vertretern findet, sobald sie sich nämlich be-
fleissigt, eine gewisse Einseitigkeit und Voreiligkeit
von ihren Folgerungen fern zu halten, — alle dargelegten
physiologischen Tatsachen noch lange nicht hinreichend
, um zu den dreisten Schlüssen, wie sie die
Materialisten ziehen, zu gelangen.
Vorläufig Einiges über den von materialistischer Seite
so oft gezogenen Analogiesehluss, der die Maschinentätigkeit
betrifft. Es heisst: da die Lebens- und die Seelentätigkeit
des Individuums ganz mit demselben Rechte als blosse
Funktion seines Leibes, wie die Tätigkeit einer Maschine
als deren Funktion, aufzufassen ist, — so lasse sich auch
mit demselben Rechte folgern, dass, sobald der Leib auseinander
fällt, es auch mit der Existenz der psychischen
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Individualität für immer aus sei, wie die Leistung einer
Maschine mit deren Zerstörung aufhöre. Obschon nun
überhaupt dem Vergleich eines fühlenden und bewussten
Mechanismus mit einer unbelebten und durch Menschenhand
zusammengefügten Maschine jene zwingende Beweiskraft
abgeht, welche die Materialisten in ihm zu sehen
glauben, so wird es immerhin nicht überflüssig sein, daran
za erinnern, dass sogar die Zerstörung einer Maschine noch
nicht so ganz das bedeutet, was die Beweisführung der
Gegner hierbei im Sinne hat, nämlich ein absolutes Zugrundegehen
. Ja selbst der Ausdruck „Funktion der Maschine
" ist nicht ganz zutreffend; denn was ihr von Natur
zukommt, bezieht sich nur auf die Eigenschaften des Materials
; was sich hingegen als zweckmässig in ihrem Wirken
offenbart, das gehört nicht ihr als solcher, sondern dem
menschlichen Verstände an, der sie baute. Und nun, was
ihre „Vernichtung" betrifft.
Gesetzt, es handelt sich um die Vernichtung eines musikalischen
Instruments, z. B. eines Klaviers, einer Uhr, überhaupt
eines Werkzeugs oder einer Maschine, die in den
Lebensgewohnheiten oder dem Beruf ihres Besitzers eine
grosse Rolle spielen. Ist damit nun wirklich alles definitiv
zu Ende, wird sich nicht vielmehr der Besitzer alle mögliche
Mühe geben, sich möglichst bald ein seinem Bedürfnis
entsprechendes neues Instrument zu verschaffen?
Man wird sagen, das neue sei dann eben ein anderes
Ding, das alte sei doch unwiederbringlich dahin. Scheinbar
ja, und doch ist diese Auffassung im Grunde nicht ganz
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